: Die Kunst des Minimalisten
Die Hauptstadt-CDU gewinnt mit schlechtem Ergebnis nach zwei Jahren wieder einen Beisitzerposten im 39-köpfigen Bundesvorstand der Union. Der Landesvorsitzende Stölzl sieht darin dennoch ein „Sympathievotum für Berlin“
Wenn Minimalismus die Kunst ist, sich über wenig zu freuen, ist Unionschef Christoph Stölzl zweifellos ein Künstler. Zum Beisitzer im Bundesvorstand haben ihn die Delegierten des Hannoveraner CDU-Parteitags gerade gewählt. Beisitzer gibt es 26, und die machen genau das, was der Begriff sagt – die Macht im Vorstand liegt beim 13-köpfigen Präsidium. Stölzls Wahlergebnis war zudem das drittschlechteste aller Beisitzer. Trotz alledem spricht er von einem „Sympathievotum für Berlin“, weil die Landespartei in der CDU-Chefetage zwei Jahre lang kein Stimmrecht hatte. Zum Vergleich: Die Berliner SPD stellt in ihrem Bundesvorstand zwei Mitglieder, davon mit Wolfgang Thierse einen Parteivize.
„Mehr Kultur und mehr Berlin“ will Stölzl in den Bundesvorstand hineintragen. Das konnte er allerdings auch bisher schon, denn als Landesvorsitzender war Stölzl, seit Mai Berliner CDU-Chef, automatisch Mitglied. Stimmrecht hatte er zwar nicht – doch Abstimmungen habe es in seiner Zeit ohnehin nicht gegeben, dafür viel Diskussion. „Funktional ändert sich nichts“, sagt er. Symbolischen Wert habe seine Wahl, „wie so unendlich viel in der Politik“. Sein schwaches Ergebnis führt er darauf zurück, dass große CDU-Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen zuerst ihre Kandidaten durchbringen wollten. „Die Zahlen sagen nichts über den Grad der Wertschätzung aus“, sagte Stölzl.
Bislang letzter Berliner Beisitzer im Bundesvorstand war bis 2000 der damalige Landeschef und Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Beim CDU-Parteitag vor zwei Jahren bewarb sich an seiner Stelle der damalige Fraktionsvize im Abgeordnetenhaus, Uwe Lehmann-Brauns, für die Berliner Union und fiel durch. Gleiches war bereits 1994 Fraktionschef Klaus Landowsky passiert. Einen derartigen Lapsus bei ihrem Spitzenpersonal mussten 2001 auch die Berliner Sozialdemokraten hinnehmen: Landeschef und Senator Peter Strieder, der sich neben Thierse und der damaligen Bundesministerin Christine Bergmann beworben hatte, fiel beim SPD-Bundesparteitag mit dem schwächsten Ergebnis aller Kandidaten durch.
Stölzl nennt es „geradezu ein Wunder, dass unser winzig kleiner Landesverband überhaupt einen Sitz gewonnen hat“. Mathematisch gesehen ist das weniger wundersam: Der Berliner Landesverband mit seinen rund 16.000 Mitgliedern stellt 26 von rund 1.000 Parteitagsdelegierten, also jeden vierzigsten – was genau einem Sitz im Vorstand entspricht.
Nicht immer hatte die Berliner CDU eine derartige Randrolle in der Bundespartei. Die frühere Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien saß nicht nur bis 1996 im Diskutierclub des Vorstands, sondern von 1977 bis 1989 auch im eigentlichen Entscheidungszirkel, dem Präsidium. Für CDU-Parteisprecher Matthias Wambach eine unvergleichbare Ausnahmesituation: Laurien sei eine enge Vertraute von Helmut Kohl und früher bei ihm Staatssekretärin, später Ministerin in Rheinland-Pfalz gewesen. Der spätere Kanzler habe auch nach ihrem Wechsel 1981 nach Berlin dafür gesorgt, dass sie in der Spitze blieb. STEFAN ALBERTI
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