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Liberale mit geerbtem Politiktalent

Die 62-jährige Nancy Pelosi führt die Minderheitsfraktion der Demokraten im US-Repräsentantenhaus

„Auf diesen Moment habe ich 200 Jahre gewartet“, sagt Nancy Pelosi und schmunzelt über ihren kleinen Scherz, dass nun endlich eine Frau das Zepter führt. Am Donnerstag wurde die 62-jährige Demokratin aus San Francisco zur ersten Fraktionschefin im Repräsentantenhaus und damit mächtigsten Frau im US-Kongress gewählt.

Von ihr wird viel erwartet. Die streitbare Frau soll ihrer schlaffen Partei neue Lebensgeister einhauchen. Während ihre Parteikollegen sich noch stritten, ob ihre liberale Gesinnung beim Stimmenfang in der wichtigen Gesellschaftsmitte von Nutzen ist, lobt ihr direkter Widerpart, Republikanerchef Tom DeLay, sie als eine würdige Gegnerin. Öffentlich geißeln die Republikaner ihre Positionen gegen den Irakkrieg und für Abtreibungsfreiheit. In den Hinterzimmern geben sie sich jedoch erfreut. Sie hoffen, in Pelosi eine einfache Angriffsfläche gefunden zu haben.

Pelosi fordert zum politischen Wettstreit heraus. „Wir werden zwar versuchen, mit den Republikanern gemeinsam zum Wohle unseres Volkes zu arbeiten. Wo wir jedoch anderer Meinung sind, werden wir diese energisch vertreten.“ In den vergangenen Tagen hat sie sich jedoch zurückgehalten, wenn es um kühne demokratische Politikentwürfe ging. Verurteilte sie Präsident Bushs Steuersenkung letztes Jahr noch als „rücksichtslos und unverantwortlich“, spricht sie nun von „gemeinsamen Grundlagen“.

Da scheint bereits die Pragmatikerin durch. Will sie Wahlen gewinnen, muss sie die Mitte ansprechen. Dennoch muss sie auch dem Wunsch vieler Demokraten nachkommen, gegenüber der Regierung eine aggressivere Haltung vor allem in der Außenpolitik und in Wirtschaftsfragen einzunehmen. Parteifreunde trauen ihr zu, diesen Spagat zu meistern.

Die Frau ist ein Energiebündel. Sie bekam fünf Kinder in sechs Jahren, engagierte sich in San Francisco für Aidskranke, Menschenrechte und im Umweltschutz. 1976 organisierte sie für den damaligen Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, die Präsidentenvorwahl, stieg zur Chefin der kalifornischen Demokraten auf und wurde 1987 als Abgeordnete in den Kongress gewählt. Pelosi wisse, wie man überzeugt, sagt ihr Parteifreund Art Torres. „Und sie macht es besser als alle Männer.“

Mit der Politik wuchs sie auf. Ihre katholischen Eltern hatten sieben Kinder – sie war die einzige Tochter. Ihr Vater Thomas „Big Thommy“ J. D'Alesandro, mächtiger und erfolgreicher Bürgermeister der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigte ihr, wie man Wahlkämpfe organisiert, und nahm sie mit auf demokratische Parteitage. Er lehrte sie, worauf es in der Politik ankommt: Stimmen gewinnen, nicht philosophieren. Pelosi kann beides.

Zudem ist sie eine begnadete Spendensammlerin. Geschickt nutzt sie die Gunst ihrer wohlhabenden Stadt und verteilt die erworbenen Millionen an weniger erfolgreiche Kandidaten im Land. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz im Wahlkampf 2002 – sie besuchte 30 Bundesstaaten und sammelte 8 Millionen Dollar – wäre das Ergebnis für die Demokraten womöglich noch schlechter ausgefallen. Sie wäre daher sowieso neue Fraktionschefin geworden, meint ein Abgeordneter. „Das hatte nichts mit dem Wahlausgang zu tun.“

MICHAEL STRECK

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