piwik no script img

Der Blockierer, das Gespenst

Bei Anti-Castor-Aktion am ICE-Gleis soll ein Spitzel der Polizei mitgewirkt haben

LÜNEBURG taz ■ Die Gleisbesetzung bei Lüneburg sorgt auch nach dem Castortransport für Irritationen. Die Polizei stellt den Vorgang so dar: „Die Polizeibeamten Holger Liszkowski und Frank Samland rennen um 10.50 Uhr wild winkend einem Reisezug entgegen. Die Geschwindigkeit des Hochgeschwindigkeitszuges beträgt zu diesem Zeitpunkt rund 110 km/h. Ohrenbetäubendes Quietschen – qualmende Räder; als sich der Rauch lichtet, ist das traurige Ende einer Blockade Gewissheit: Der ICE 71 „Helvetia“ kommt in einem Abstand von etwa 150 Metern nur knapp vor der Blockade zum Stehen. Beamte müssen die Protestgegner förmlich in letzter Sekunde von den Gleisen pflücken. Die dramatische Rettung unter Einsatz des Lebens der Beamten.“

Glaubt man Rechtsanwalt Wolfram Plener, ist das erstunken und erlogen: „Die Polizei verbreitet eine offensichtlich falsche Darstellung, um die Castor-Gegner zu kriminalisieren“. Plener, der schon die Robin-Wood-Aktivisten der Gleisblockade 2001 vertrat, wurde von den Demonstranten mit deren juristischer Vertretung beauftragt. Nach Auswertung der Vorgänge steht für Plener fest: „Die Polizei hat einen verdeckten Ermittler in die Gruppe eingeschleust.“

Der hatte sich nach Darstellung des Rechtsanwaltes am Abend vor der Aktion bei der Gruppe als „Bruno Lohmann“ vorgestellt. Unter einem Vorwand habe er dann die Gruppe verlassen, dabei die geplante Aktion der Polizei verraten. „Schon als die Gruppe die Wohnung verließ, kreiste ein Hubschrauber über ihnen.“ Der BGS hätte in 700 Meter Entfernung zwei Streckenposten aufgestellt, die – komischerweise – jene roten Signaljacken trugen, die bei Gleisarbeiten der Bahn Vorschrift sind.

„Auch Bruno Lohmann wurde von der Polizei abgeführt, allerdings vor Aufnahme der Personalien von der Gruppe separiert“, so Plener. Seitdem fehle von ihm jede Spur: Weder die angegebene Anschrift noch Telefonnummern stimmen.

„Wir sagen nichts zu erkennungsoperativen Dingen“, erklärte gestern Hartmut Böhme, Specher des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Vielleicht aber so viel: „Wir hätten keinem unserer V-Leute gestattet, sich an einer solchen Aktion zu beteiligen.“ Böhme: „Auf der uns vorliegenden Liste der Beteiligten ist kein Bruno Lohmann verzeichnet.“ Für Plener ein weiterer Spitzel-Beleg. Die Polizei war gestern zu einer Stellungnahme nicht bereit. NICK REIMER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen