Proteste in Italien

Die in Italien festgenommenen Globalisierungskritiker werden weiter verhört. Schwache Beweislage, bizarre Methoden, heftige Proteste

ROM taz ■ Die 20 Globalisierungskritiker, die in Italien unter dem Vorwurf staatsfeindlichen Verhaltens festgenommen worden sind, haben alle Anschuldigungen zurückgewiesen. „Die Handschellen werden unseren Kampf nicht stoppen“, schrieb der inhaftierte Vorsitzende der Globalisierungsgegner von Neapel, Francesco Caruso, gestern.

Er und 19 weitere Aktivisten waren am Freitag auf Antrag der Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Cosenza in Untersuchungshaft genommen worden. Seit Samstag werden sie von den Staatsanwälten vernommen. Die Staatsanwaltschaft Cosenza erhebt im Haftbefehl schwerste Anschuldigungen: Mittels Bildung der Vereinigung „Sud Ribelle“ habe die Gruppierung politische Konspiration betrieben, um die Regierung an der Ausübung ihrer Funktionen zu hindern, um „subversive Propaganda“ zu treiben und gewaltsam die wirtschaftliche Ordnung des Landes umzustürzen.

Am Haftbefehl fällt aber nicht nur auf, dass als eines der Ziele der Vereinigung die Verhinderung der internationalen Gipfel in Neapel (März 2001) und Genua (Juli 2001) genannt, die Gründung des subversiven Clubs jedoch auf den Mai 2001 datiert wird – der Verein hätte es damit geschafft, schon vor seiner Bildung aktiv zu werden. Auch sonst bietet der Haftbefehl keinen einzigen Beweis.

Das braucht er auch nicht. Die „Konspiration“ – ein im Faschismus geschaffener Straftatbestand – liegt nicht erst bei Taten, sondern schon bei Absichten vor. Und diese „dokumentieren“ die Staatsanwälte in bizarrer Manier. So wird einer Verhafteten vorgehalten, sie sei in Genua als Reporterin von Radio GAP unterwegs gewesen. GAP steht für Global Audio Project, der Staatsanwalt jedoch erinnert sich, dass auch die terroristische Gruppe des 1972 umgekommenen Giangiacomo Feltrinelli sich GAP nannte – und unterstellt den Angeklagten schlicht wegen des Kürzels umstürzlerische Absichten.

So schwach die Beweislage, so dramatisch war die Inszenierung. Alle Verhafteten wurden in Hochsicherheitsgefängnisse gebracht, die gewöhnlich Mafiosi und Terroristen vorbehalten sind. Die Bewegung der Globalisierungskritiker, aber auch der Gewerkschaftsbund CGIL und die Partei der Linksdemokraten reagierten mit scharfer Kritik auf die Verhaftungswelle, und schon am Samstag demonstrierten in Rom, Neapel und zahlreichen anderen Städten zehntausende unter dem Slogan „Wir sind alle subversiv“ für die Freilassung der Globalisierungsgegner. MICHAEL BRAUN