: Außerirdische aus Birnbaumholz
Junge Südtiroler Künstler nutzen teils der Folklore entstammende Techniken für intermediale Kunstwerke. Eine Schau in den Phoenix-Fabrikhallen
Gesichtslose Figuren reichen sich um Häuserecken einen Koffer zu. Am Ende der Modellinstallation erscheint der reale Koffer: Er enthält nichts anderes als ein kleines Modell derselben Installation. Und die kann Modell für des Betrachters Herumstehen zwischen den weißen Wänden des Ausstellungsraumes sein.
Die Arbeit von Joseph Rainer aus Brixen ist Teil eines Austauschprojekts mit Südtirol. Im Gegenzug zu einer Präsentation von zehn HamburgerInnen im Süden sind nun in der Phoenix-Stiftung in Harburg Arbeiten von elf zwischen 1969 und 1976 geborenen KünstlerInnen aus dem Alto-Adige zu sehen.
Robert Pan zum Beispiel überträgt Porträtfotos auf mit Kunstharz ausgegossene Federkernmatratzen und setzt das Ganze in goldenes Licht. Barbara Tavella erforscht wieder einmal die Kraft des Kitsches in aufwendig aufgehübschten Familienfotos. Und Werner Gassers Video studiert in Großaufnahme das Gesicht einer sich schminkenden Trapezkünstlerin – und reproduziert so das Klischee des „weinenden Clowns“.
Viel bissiger dagegen Christoph Hinterhuber: In seinen Logo-Paraphrasen zur Globalisierung nimmt ein Gehirn schon mal die Form einer Handgranate an. Mit internationalen Phänomenen befasst sich auch Hannes Gamper. Seine Arbeit www.hotel-president.de ist ein Internetauftritt eines fiktiven Hotels, wird aber auf Bestellung zur realen Inszenierung.
Auf das Frauenbild im heimatlichen Umfeld reagiert die in Mailand lebende Fotokünstlerin Brigitte Niedermair. In der Serie ma-donna zeigt sie in perfekter Magazinästhetik Models in historischen Gewändern, die an hohen Feiertagen alte Marienstatuen in Südtiroler Kirchen schmücken. Und Peter Senoner nutzt Grödnertaler Schnitzkunst, um aus Birnbaumholz lebensgroße Figuren von Außerirdischen entstehen zu lassen, die er in Performances einsetzt oder mit Videos kombiniert.
Der politische Sonderstatus der Autonomie Südtirols ermöglicht dabei eine besondere Kulturförderung: Die Hamburger Gäste wurden im Frühjahr 2002 in drei öffentlichen Institutionen präsentiert, die Ausstellung wurde von der öffentlichen Hand großzügig unterstützt. In Hamburg blieb es, wie neuerdings zunehmend üblich, bei der Privatinitiative. Die Kulturbehörde half nicht. HAJO SCHIFF
Das absurde Bekannte, Kulturstiftung PHOENIX ART Sammlung Falckenberg, Harburg, Phoenix-Fabrikhallen, Wilstorfer Str. 71, Eingang Tor 2; Di–Fr 14–18, Sa 11–14 Uhr; bis 20. Dezember
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen