: Politische „Express“-Linie
Weil dem Kölner Verleger Alfred Neven DuMont die politische Richtung seines „Kölner Express“ nicht gefiel, hat er einen Brief an die Blattmacher geschrieben. Sie sollten sich wieder mit der „grundsätzlichen Haltung unseres Hauses“ identifizieren
aus Köln PASCAL BEUCKER und FRANK ÜBERALL
Alfred Neven DuMont ist ein mächtiger Mann. An den Zeitungen, über die er gebietet, kommt in Köln keiner vorbei – die einzige lokale Alternative ist die Bild-Zeitung (und einmal wöchentlich die taz köln). Und natürlich hält sich der Kölner Ehrenbürger nicht nur für einen guten Geschäftsmann, sondern für einen großen Publizisten. Wenn man den 75-Jährigen fragen dürfte, worin er den signifikanten Unterschied zu Rudolf Augstein sieht, seine Antwort wäre wohl: Ich lebe noch.
So war es auch kein Wunder, dass sich zum Festakt anlässlich des 200-jährigen Jubiläums seines Verlags M. DuMont Schauberg im Sommer das Who’s who der deutschen Politik die Ehre gab – angeführt von Bundespräsident und -kanzler. Er habe „sehr persönliche Beziehungen“ zum Verlagshaus und speziell zu dessen Boulevardtitel Express, betonte Gerhard Schröder.
Macht und Missbrauch
Besonders lobte der Kanzler die Fairness der DuMont-Blätter, zu denen auch die Kölnische Rundschau und die Mitteldeutsche Zeitung in Halle gehören. Neven DuMont verstehe es, sich „im Spannungsfeld zwischen Pressemacht und -missbrauch zu bewegen“, urteilte einmal sein publizistisches Flaggschiff, der Kölner Stadt-Anzeiger.
Was darunter zu verstehen ist, durfte am Tag nach der Bundestagswahl die Chefredaktion des Express erleben. Denn an die schrieb der Domstadt-Citizen-Kane, zu dessen vielen verliehenen Titeln auch der des Ehrenbrandmeisters der Freiwilligen Feuerwehr von Stommeln gehört, einen Brandbrief: „Die Jubelnummer des heutigen Tages über den Ausgang der Wahlen kann ich in keiner Weise nachvollziehen“, teilte der Herausgeber mit dem „durchaus aristokratisches Flair“ (Stadt-Anzeiger) seinen Untergebenen mit.
Erzürnt hatte den alten Herrn die Express-Titelseite mit der Headline „Gerd im Glück“ und einem Bild des strahlenden Kanzlers. Doch nicht nur das: Auf Seite 3 abermals Herr Schröder in Siegerpose, auf Seite 4 mit einem lustig kniependen Auge.
Ungeheuerlich, denn: In Wahrheit ist die SPD einer der Stimmenverlierer dieser Wahl. Im Kontrast dazu der Herausforderer: Stoiber, dessen CDU/CSU erhebliche Gewinne zu verzeichnen hat, wird auf den Seiten 3 und 5 mehr oder weniger zum Witzmännchen degradiert. Und dann auch noch die Auswahl der zum Wahlausgang befragten Leser: ebenso einseitig rot, aber insbesondere grün dominiert.
Die Ausrichtung der Ausgabe, schrieb Neven DuMont den Blattmachern, „identifiziert sich stark mit Rot/Grün, so dass sie nicht nur einen Teil unserer Leser befremdet, sondern sich auch von der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses entfernt“. Und die sei „liberal“.
Damit über seine Vorstellungen von innerer Pressefreiheit erst gar kein Missverständnis entsteht, wies Neven DuMont auch direkt darauf hin, was er nun von seinen leitenden Angestellten erwartet: „Ich muß Sie nachdrücklich auffordern, sich wieder mit der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses zu identifizieren, und dies sofort und ohne Wenn und Aber.“
„Her mit dem Geld!“
Im Hause DuMont-Schauberg hält man sich bei offiziellen Anfragen zu dem Brandbrief, der der taz vorliegt, vornehm zurück. „Der Öffentlichkeitsarbeit ist ein solcher Vorgang nicht bekannt“, heißt es diplomatisch. Im übrigen wolle man zu internen Überlegungen ohnehin keine Auskunft geben. In den nachfolgenden Express-Ausgaben konnte allerdings nachvollzogen werden, dass der Chefbrief seine Wirkung nicht verfehlt hat. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann kommt der Bundeskanzler halt so auf den Titel, wie es der Liberalität des Hauses entspricht: grimmig dreinblickend mit der Überschrift „Her mit dem Geld, Leute! Gerhard Schröder-Schröpf“ oder mit montiertem „blauen Auge“ als „Watschn-Kanzler“ – also mit voller Kraft gegen Rot-Grün. Die Linie stimmt wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen