: Kleinkrieg am Golf
Die militärischen Zwischenfälle in den Flugverbotszonen des Irak werfen ein Licht auf unterschiedliche Interpretationen der UNO-Resolution 1441
von KARIM EL-GAWHARY
Britische und US-amerikanische Militärjets haben in den letzten Tagen Ziele in der Flugverbotszone im Nord- und Südirak bombardiert, nachdem sie nach Angaben des US Central Command beschossen worden waren. Das ist ein Szenario, wie es sich seit Schaffung der Flugverbotszonen 1991 fast wöchentlich wiederholt. In den letzten Jahren war dieser Abnutzungskrieg meist keine Meldung mehr wert.
Das hat sich mit der neuen Irakresolution des UN-Sicherheitsrats geändert. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McCellan, bezeichnete den Beschuss von US-Flugzeugen in der Flugverbotszone jetzt als „schwerwiegenden Verstoß“ gegen die UN-Resolution 1441, die vergangenen Freitag einstimmig vom Sicherheitsrat beschlossen worden war. Bei einem solchen Verstoß werden in der Resolution „schwerwiegende Konsequenzen“ angedroht, mit anderen Worten: ein Krieg. Die Bush-Regierung halte an ihrer „Null-Toleranz-Politik“ fest, sagte McCellan weiter.
Das Problem bei dieser Interpretation: Die Flugverbotszonen wurden nie von der UNO abgesegnet. Sie waren vor 11 Jahren einseitig von den USA, Großbritannien und Frankreich ausgerufen worden. Frankreich hat sich inzwischen aus den Patrouillenflügen zurückgezogen. Die Sicherheitsratsmitglieder Russland und China kritisieren die Flugverbotszonen seit jeher als eine Verletzung der irakischen Souveränität und betonen immer wieder, dass diese durch keinen UN-Beschluss gedeckt sind.
Die US-Regierung argumentiert demgegenüber, dass die Flugverbotszonen im Rahmen der UN-Resolution 688 stünden, die im April 1991 verabschiedet worden war. Diese Resolution hatte die irakische Regierung aufgefordert, ihren Übergriffen gegen die kurdischen und schiitischen Bevölkerungsteile im Norden und Süden des Landes Einhalt zu gebieten. Nach offizieller US-amerikanischer Lesart geht es bei den Flugverbotszonen bis heute darum, der dort lebenden Bevölkerung Schutz vor der irakischen Armee und der irakischen Luftwaffe zu gewähren. Aber Kritiker dieser ohnehin bereits kontroversen Sichtweise betonen noch zusätzlich, dass selbst diese Resolution, auf die sich Washington beruft, nicht vom Artikel 7 der UN-Charta abgedeckt sei, die die Möglichkeit gibt, UN-Beschlüsse mit Gewalt durchzusetzen.
Strategisch geht es Washington bei den Patrouillenflüge ohnehin kaum mehr um den Schutz irakischer Bevölkerungsgruppen, sondern vielmehr darum, den Einfluss Saddam Husseins in seinem eigenen Land einzudämmen, indem mit Hilfe der Flugverbotszonen das Land de facto dreigeteilt wurde. Außerdem lieferte die Zone den USA immer wieder einen Vorwand, nach Bedarf gegen Saddam Hussein militärisch vorzugehen, ohne die Schwelle einer offiziellen Kriegserklärung zu überschreiten.
Bagdad hat diese Zonen nie anerkannt und sieht in ihnen eine Verletzung seiner Souveränität. Nach irakischen Angaben sollen bei den Luftangriffen in diesen Zonen hunderte von Zivilisten umgekommen sein.
Die neuesten Äußerungen aus Washington könnten jetzt eine Debatte darüber auslösen, auf was genau man sich denn in der letzten UN-Resolution geeinigt hat. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte gestern, er betrachte die irakischen Angriffe auf die Kampfflugzeuge nicht als Verstoß gegen die UN-Resolution. „Lassen Sie mich sagen, ich glaube nicht, dass der Rat sagen wird, dies ist eine Übertretung der jüngst verabschiedeten Sicherheitsratsresolution“, erklärte Annan während einer Reise im Kosovo. Selbst Großbritannien, der wichtigste Verbündete der USA, hat sich diesmal nicht der amerikanischen Position angeschlossen.
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