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Vision der Heiligen

N 24 setzt ab sofort auf Dokus. Das ist billiger – und liegt voll im Trend. Dass der Nachrichtenkanal so Marktführer wird, bleibt aber frommer Wunsch

von KLAUS RAAB, München, und STEFFEN GRIMBERG

Sie sind die Sorgenkinder der frisch adoptierten Kirch-Familie: N 24 und das DSF. Während sich der Sportkanal eine drastische Sparkur (siehe Text unten) verordnet hat, durfte der Nachrichtensender dagegen noch mal richtig auf Einkaufstour gehen. 1.600 Stunden Dokumentationen werden vom amerikanischen Doku-Imperium Discovery Communications übernommen – die größte Investition in der Geschichte des erst Anfang 2000 gegründeten Senders.

Schon ab Samstag präsentiert sich N 24 dann mit einem dritten Standbein als Ergänzung zum bisher nachrichten- und wirtschaftslastigen Programm. 40 Stunden Dokumentationen pro Woche sollen den Sender nicht nur für neue Zuschauer, sondern vor allem auch für neue Werbekunden attraktiver machen.

Und die wären bitter nötig. Denn N 24 liegt weit abgeschlagen hinter dem privaten Nachrichtenmarktführer n-tv. Doch selbst dem nützt die Spitzenposition derzeit wenig: Zum zehnten Geburtstag vor zwei Wochen galt die Ankündigung, n-tv werde zunächst nur rund 70 – und nicht, wie zunächst angekündigt, weit über 100 – Stellen streichen, schon als richtig gute Nachricht.

Für N 24 gab es am Mittwoch zusätzlich zur praktischen (Doku-Investition) gleich noch eine theoretische Bestandsgarantie: Solange er noch bei der ProSiebenSat.1 Media AG das Sagen habe, werde N 24 jedenfalls nicht dicht gemacht, verkündete AG-Vorstandschef Urs Rohner bei einer ProSieben-Betriebsversammlung in München. Wie lange Rohner sich allerdings unter dem neuen Hauptgesellschafter Heinrich-Bauer-Verlag noch an der Spitze halten kann, ist derzeit reichlich unklar: Länger, als die branchenüblichen Unkenrufe verhießen, soll sich Rohner um entsprechende Nachfragen herumgedrückt haben, hieß es in München.

Die Ziele sind überirdisch hoch gesteckt: Die Ausgangslage sei dank des Dokumentationseinkaufs hervorragend, „um langfristig der erfolgreichste deutsche Nachrichtensender zu sein“, sagte ProSiebenSat.1-Informationsvorstand Claus Larass. N 24 will seinen Anteil am Werbemarkt in absehbarer Zeit ebenso verdoppeln wie den Zuschauerzuspruch. – Ein Film mit dem schönen Titel „Die Vision der Heiligen“ schmückt deswegen wohl nicht ganz zufällig bereits im Dezember das neue Dokumentarprogramm. Viermal täglich laufen dann Power-Dokus wie „Alles über … T-Rex“, „Tödliche Tierchen“, „Der wütende Planet“ oder „Technik extrem“.

„Nicht ganz billig“ sei das Dokumentationspaket gewesen, sagt Larass. Allerdings ist selbst die teuerste Doku noch deutlich billiger als aufwändige TV-Fiction. Und erst recht als das kostenintensive Nachrichtensammeln in aller Welt: Die „große Investition in die Zukunft des Senders“, über deren Höhe Stillschweigen herrschte, ist in Wahrheit wohl eher Sparprogramm.

Das der Partner Discovery (siehe Kasten) Qualität bietet, ist unstrittig. Auf der ehemals ebenfalls Kirch-eigenen Pay-TV-Platform Premiere sendet bereits seit 1996 ein deutscher Ableger des Discovery Channel. Seit 2000 kooperiert auch das ZDF mit dem US-Mutterhaus Discovery Communications. Denn das Doku-Genre ist im Aufwind, populär gemachte Formate aus Guido Knopps ZDF-Geschichtsmaschine lassen sich sogar international vermarkten. Seit April 2002 hat das ZDF auch einen eigenen digitalen Doku-Kanal, Spiegel TV versendet derweil sein umfangreiches Archiv beim Metropolensender XXP.

Die obligatorische Aktualität, die einen Nachrichtensender erst zu einem machen kann, soll unter der Umstrukturierung bei N 24 übrigens nicht leiden: N 24 will aktuelle Meldungen und Bilder auch in das laufende Dokuprogramm integrieren. Laut Pressematerial könnte das folgendermaßen aussehen. Während links im großen Bild ein Affe durch den Urwald hüpft, ist rechts klein Saddam Hussein zu sehen. Die Botschaft mit dem Affen ist klar: N 24 macht in der Evolution gerade einen großen Schritt nach vorn.

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