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Harte Zeiten für Projekte gegen rechts

Zwei Jahre nach dem „Aufstand der Anständigen“ steht die Bundesförderung für rund 300 Initiativen auf der Kippe

BERLIN taz ■ Püntklich zum zweiten Jahrestag des „Aufstands der Anständigen“ wird allerorten Bilanz gezogen. So auch bei den Projekten, die im Rahmen des Programms „Civitas – initiativ gegen Rechtsextremismus“ vom Bund gefördert werden.

Der Bielefelder Soziologieprofessor Wilhelm Heitmeyer zog gestern in Berlin ein erstes Resümee. Hauptproblem sei, erklärte Heitmeyer, dass die Projekte mit hohen Ansprüchen konfrontiert würden, „die aber angesichts knapper Fördermittel und sehr kurzer Förderzeiträume“ kaum realisierbar seien. Knapp achtzehn Monate Arbeitszeit hat die Hälfte der rund 600 von Civitas geförderten Projekte aus den Bereichen „Hilfe für Opfer rechter Gewalt“, „Mobile Beratungsteams“ und „zivilgesellschaftliche Intervention“ hinter sich.

Wie viele im nächsten Jahr noch arbeitsfähig sein werden, weiß derzeit niemand. Denn geht es nach dem Entwurf für neue Civitas-Leitlinien, die derzeit im Haus von Familienministerin Renate Schmidt (SPD) diskutiert werden und die der taz vorliegen, sollen alle Projekte ab März 2003 „befürwortende Stellungnahmen der zuständigen Kreis- bzw. Landesverwaltungen vorlegen“.

Für Projekte in den CDU-regierten Ländern Sachsen und Thüringen oder dem rot-schwarzen Brandenburg brächen damit harte Zeiten an. Einen Vorgeschmack bekam die „Anlaufstelle für Betroffene rassistischer Angriffe und Diskriminierung“ in Thüringen (Abad), als sie mit einem Plakat auf die Situation von Flüchtlingen in der Kommune Markersdorf aufmerksam machen wollte. Der Plakattitel „Asylsuchende in Thüringen – Das kalte Herz Deutschlands“ sei ein grober Verstoß gegen die Civitas-Richtlinien und zudem eine Beleidigung der Landesbevölkerung: Diese Rüge der Erfurter Landesregierung war mit der unmissverständlichen Drohung verknüpft, den Finanzhahn abzudrehen.

Denn spätestens im kommenden Jahr müssen alle Civitas-Projekte eine Kofinanzierung durch die Länder nachweisen. Das entspricht zwar nicht dem Willen der Parlamentarier, die den unbequemen „Nestbeschmutzern“ ausdrücklich Autonomie zusichern wollten. Doch angesichts leerer Bundeskassen und hochgradigen Desinteresses bei Rot-Grün sehen sich viele Projekte auf der Suche nach Bündnispartnern allein auf weiter Flur.

HEIKE KLEFFNER

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