ärzte und abschieben: Untauglich sind nur die Minister
Die Innenminister aus Bund und Ländern sind sich einig. Ob CDU, ob SPD, alle treibt die Sorge um: Es wird viel zu wenig abgeschoben. Schuld daran sind nicht etwa die Grünen, sondern renitente Mediziner. Sehr zum Verdruss der Volksparteienvertreter gibt es immer noch einige unerwünschte Ärzte, die unerwünschte Ausländer vor „Rückführungen“ bewahren. Diesen Missstand wollen die Minister nun beheben. Ob es schon heute auf ihrer Konferenz in Bremen klappt, ist fraglich. Zu laut haben Ärztevertreter ihren Protest geäußert. Sicher ist nur: An Zynismus und Menschenverachtung sind die bereits bekannt gewordenen Pläne der Innenminister nicht zu überbieten.
Kommentarvon LUKAS WALLRAFF
Das einzige Kriterium, das die Mediziner nach den Vorstellungen der ministeriellen „Arbeitsgruppe Rück“ noch interessieren soll, ist die „Flugreisetauglichkeit“ der Abschiebekandidaten – und sonst nichts. Psychische Probleme? Chronische Krankheiten? Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland? Papperlapapp!, unnötiger Papierkram. Die Ärzte sollen sich nicht so anstellen und ihren komischen Eid nicht gar so wichtig nehmen, der eine ganzheitliche Behandlung vorschreibt. Wichtig ist den Ministern nur, dass in den lästigerweise vorgeschriebenen Gutachten am Ende klar und deutlich zwei entscheidende Worte stehen: „Ja, flugreisetauglich“.
In der Praxis würden die Vorschläge bedeuten, dass so gut wie jeder abgeschoben werden kann, der abgeschoben werden soll. Flugtauglich sind heutzutage selbst Intensivpatienten. Warum sonst würden deutsche Urlauber eine Rückkehrversicherung abschließen, die ihnen im Krankheitsfall den Transport in die Heimat garantiert? Sie tun es, weil es in Deutschland (noch) eine gute Gesundheitsversorgung für alle Bürger gibt. Nur für Ausländer gäbe es eine Behandlung zweiter Klasse, wenn sich die Minister durchsetzen.
Es ist bezeichnend, dass der Menschenrechtsbeauftragte der hessischen Ärztekammer betonen zu müssen glaubt, bei den Bedenkenträgern handele es sich „nicht um irgendwelche Spinner“. Es geht nicht darum, Abschiebungen generell zu verhindern. Wer alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat und zweifelsfrei gesund ist, kann abgeschoben werden. Aber ärztliche Zweifel müssen erlaubt sein. Hoffentlich spekulieren die Minister vergeblich auf die Arbeitslosigkeit auch unter Medizinern. Dann wird es nichts mit dem staatlichen „Ärztepool“, der die erwünschte „Flugtauglichkeit“ bescheinigt.
inland SEITE 6
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen