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Preisträger im Arbeitslager

Menschenrechtspreis 2002 von „Reporter ohne Grenzen“ geht an den russischen Journalisten Grigori Pasko

BERLIN taz ■ Mit dem Andrej-Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments für Meinungsfreiheit klappte es für den russischen Journalisten Grigori Pasko in diesem Jahr nicht. Gestern jedoch wurde der 40-Jährige, der derzeit eine vierjährige Haftstrafe verbüßt, doch noch ausgezeichnet. Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte ehrte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Pasko mit dem diesjährigen Menschenrechtspreis. In Paris nahm seine Frau Galina Morozowa die mit 7.600 Euro dotierte Auszeichnung entgegen.

Der „Fall Pasko“ beginnt Mitte der 90er-Jahre. Damals hatte der Flottenkapitän und Korrespondent der Wladiwostoker Militärzeitung Boewaja Wakta gefilmt, wie ein russisches Militärschiff Atommüll ins Japanische Meer verklappt – Material, das der japanische Fernsehsender NHK ausstrahlte. Zudem widmete sich Pasko in mehreren Artikeln der Verschmutzung des Meeres durch ausrangierte Atom-U-Boote sowie der Verstrickung des Inlandsgeheimdienstes FSB in den Handel mit nuklearem Abfall.

Am 20. November 1997 wird Pasko wegen „Landesverrats“ und der „Weitergabe militärischer Geheimnisse“ verhaftet. Erst nach 20 Monaten spricht der Oberste Militärgerichtshof in Wladiwostok das Urteil: drei Jahre wegen „Amtsmissbrauchs“. In seinem Schlusswort, das vor Gericht verlesen wird, sagt Pasko: „Dieses Strafverfahren wird in die Geschichte der Rechtsprechung Russlands eingehen als Erscheinung des Rückfalls in die Zeit des NKWD-KGB des Stalin-Regimes, als Versuch, in Russland die politische Schnüffelei, die Zensur, die Angst, die Gestapo-Methoden und die Gesetzlosigkeit in all ihren unmenschlichen Erscheinungen wiederaufleben zu lassen.“

Pasko behält Recht: Wieder auf freiem Fuß und in Berufung, kommt es im Dezember 2001 in Wladiwostok zu einer erneuten Verurteilung, diesmal zu vier Jahren Gefängnis. Von „Amtsmissbrauch“ ist nicht mehr die Rede, dafür aber von „Landesverrat“. Am 25. Juni dieses Jahres bestätigt der Oberste Gerichtshof in Moskau das Verdikt und beweist damit einmal mehr, was Presse- und Meinungsfreiheit in Russland unter der Ägide von Staatspräsident Wladimir Putin bedeuten: ständige Einschüchterung und Bedrohung, Behinderung und Verunmöglichung journalistischer Arbeit bis hin zur Anwendung von Gewalt gegen kritische Medienvertreter.

Seit nunmehr zwei Monaten sitzt Grigori Pasko seine Strafe in einem Arbeitslager ab, drei Autostunden entfernt von Ussurisk in der Region Wladiwostok. Nach Angaben des Präsidenten des russischen PEN-Clubs, Alexander Tkatschenko, der Pasko Ende Oktober besuchte, und seines Anwalts Iwan Pawlow ist dessen Gesundheitszustand schlecht. Dennoch arbeitet Pasko weiter regelmäßig für das Umweltmagazin Ekologia i prawo und unterstützt andere Häftlinge in juristischen Fragen. So ist es seiner Intervention mitzuverdanken, dass die Strafe eines Mitgefangenen um zwei Jahre verkürzt wurde.

Ob Pasko für sich selbst etwas tun kann, ist derzeit eher zweifelhaft. Normalerweise kann ein Häftling in Russland bei guter Führung nach der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe entlassen werden. Bei Pasko wäre das am 25. Dezember 2002 der Fall. Doch vor einigen Wochen wurde ihm hintertragen, dass der FSB alles tun wird, um das zu verhindern.

So bleibt die Hoffnung – nicht zuletzt bei Paskos Ehefrau, die nur alle drei Monate ein Besuchsrecht erhält – dass der Preis etwas in dieser Richtung bewirken könnte. Doch das scheint in Russland, wo kürzlich mehrere Zeitungen wegen einer besonders verdienstvollen, patriotischen Berichterstattung ausgezeichnet wurden, eher unwahrscheinlich. BARBARA OERTEL

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