: Gerd ganz alt oder ganz der Alte
Ein demonstrativ gut gelaunter Gerhard Schröder müht sich, jeden Anschein von Kanzlermüdigkeit zu verscheuchen – und gibt den großen Krach im SPD-Vorstand zu
BERLIN taz ■ Einen Tag lang durfte spekuliert werden, nach der angeblichen Rücktrittsdrohung des Kanzlers. Weil Gerhard Schröder schwieg und Parteifreunde aus dem SPD-Vorstand ausplauderten, was ihm nicht gefallen konnte, war in den gestrigen Schlagzeilen von Autoritätsverlust die Rede. Schmeißt Schröder wirklich hin, weil keiner auf ihn hört, weil es jeden Tag wieder Genossen wie seinen niedersächsischen Ziehsohn Sigmar Gabriel gibt, die partout nicht einsehen wollen, dass seine Regierung gut und die Vermögensteuer Quatsch ist?
Gestern tauchte Schröder wieder auf, und es war alles fast wie immer. Als Medienkanzler weiß er, wann er einen Satz platzieren muss, der sich einprägt und über alle Sender läuft. Um kurz nach elf hatte er ihn gefunden. „Der Kanzler wird nicht das Schiff verlassen“, stellte Schröder klar. Dies gelte nicht nur für den Moment, „sondern weit darüber hinaus“.
Demonstrativ gut gelaunt war Schröder zur Pressekonferenz im Kanzleramt gekommen. Zügig bis an die Grenze zur Unhöflichkeit verabschiedete er den hohen Gast Richard von Weizsäcker, der über die Folgen der Flutkatastrophe berichtet hatte. Dann widmete sich Schröder nur noch den Journalisten und fragte unbekümmert, als hätte er sich auf den Auftritt gefreut: „Was kann ich für Sie tun?“
Wie aus dem Lehrbuch der Vorwärtsverteidigung bestritt Schröder erst gar nicht, was eh schon jeder wusste. Ja, es habe einen Krach in der SPD gegeben. „Wenn ich zufrieden wäre, hätte ich meine Bemerkung im Vorstand nicht machen müssen.“ Ja, es habe ihn gestört, dass „die Vertraulichkeit nicht eingehalten“ wurde. Ja, er sei der Meinung, dass die Wahl „auf der Ebene der Personenkonkurrenz“ gewonnen wurde, also nicht von der SPD. Die Union versuche deshalb, ihn persönlich zu diskreditieren. „Beeindrucken tut mich das alles nicht.“
Von Rücktrittsgedanken könne ebenso wenig die Rede sein wie von Zerwürfnissen zwischen alten Kumpels. Bei Gabriel könne er schon verstehen, dass der im Wahlkampf eigene Vorschläge mache. Auch für ihn habe als Ministerpräsident das Motto gegolten: „Erst das Land, dann die Partei.“ Noch wichtiger war ihm zu betonen, dass die Machtachse mit Fraktionschef Franz Müntefering funktioniert. Die gute Erinnerung an gemeinsam errungene Wahlsiege werde doch nicht durch die „mögliche Differenz“ bei der Vermögensteuer getrübt. Müntefering soll ihm im Vorstand offen widersprochen haben. Bei aller Lockerheit setzte sich Schröder aber auch gestern unter Druck. Am Ende müsse auch bei der Vermögensteuer klar sein, „dass im Ergebnis das geschieht, was der Bundeskanzler und Parteivorsitzende für richtig hält“. LUKAS WALLRAFF
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