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Wer verdienen will, zahlt

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Sie sind Verkäuferinnen, Diplomingenieure, Architektinnen. Gestandene Leute, wie es so schön heißt, haben sich in den Räumen der Berliner Mietergemeinschaft versammelt. Der Grund: Sie alle haben einer Immobilienfirma zwischen 295 und 590 Euro gezahlt, in der Hoffnung, einen neuen Job oder einen Nebenverdienst zu finden. Nun kommen sie sich ziemlich dumm vor und hoffen, wenn sie sich zusammentun, andere vor diesem Fehler bewahren zu können. Sie selbst wurden durch Arbeitslosigkeit oder drohende Arbeitslosigkeit zur idealen Zielgruppe einer Firma, die Jobs vorgaukelt, aber nur Arbeitslosen das Geld aus der Tasche zieht: der Teco Immobilien GmbH (siehe Kasten).

Am Anfang ist immer eine Anzeige: Entweder heißt es: „Immobilienbüro sucht freundliche und humorvolle Kollegen zur nebenberuflichen Kundenbetreuung. Branchenfremde erhalten eine zukunftsorientierte Ausbildung“, oder: „Immobilienbüro sucht Menschen, die gerne gepflegte Wohnungen besichtigen (auch branchenfremd)“. Die Annoncen erscheinen in Berliner Tageszeitungen. Nach einem Anruf bekommen die Interessenten sofort einen Termin in den Geschäftsräumen in einem repräsentativen Gebäude in einer Straße in der Nähe des Kurfürstendamms. Da wird ihnen mitgeteilt, dass sie ein Seminar machen müssen, das sie zu Immobilienmaklern ausbilden soll.

In dem sechsstündigen „Seminar“ wird den angehenden Maklern ein Filmchen über Verkaufstechniken gezeigt und einiges zu Wohnflächenberechnung, Mietspiegel und Mietverträgen beigebracht. Der stolze Preis: 590 Euro. All denen, die nichts von Vorkasse wissen wollen, wird versichert, dass es sich um eine Kaution handele; seltsamerweise enthält sie Mehrwertsteuer. Nach der ersten erfolgreichen Wohnungsvermittlung bekämen sie ihr Geld zurück. Nur: Dazu kommt es so gut wie nie. Denn die von der Firma gelieferten Listen mit Wohnungen stammen aus Tageszeitungen, sie sind entweder vermietet oder Bruchbuden, die keiner will. Zudem treten sich die frisch gebackenen „Handelsvertreter“ bei ihren Vermittlungsversuchen gegenseitig auf die Füße und müssen sich von genervten Mietern oder Interessenten beschimpfen lassen.

Auf Kritik an den Geschäftspraktiken reagiert die Firma ungehalten oder mit Beschimpfungen. Viele der Betroffenen schildern, dass sie sich anhören mussten, nur zu faul zu sein. Geben sie keine Ruhe, wird ihnen gekündigt. In den „Mitarbeiterverträgen“ steht, dass bei einer Kündigung keine Rückvergütung des gezahlten Geldes erfolgt.

Manfred Birkhahn vom Berlin-Brandenburger Landesbezirk der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat sich Anfang Dezember beim dritten Treffen von Teco-Geschädigten ein Dutzend Fälle schildern lassen. „Ich bin erschrocken über die Dimension, die sich hier auftut“, sagt er. „Die einzige Erklärung, dass so etwas funktioniert, ist Arbeitslosigkeit.“ Versprechungen kann er den Geprellten nicht machen. Allenfalls Mut, „an der Sache dranzubleiben“ und vor das Arbeitsgericht zu ziehen. Der Gewerkschaftsmann will zumindest prüfen, ob der Rechtsschutz der Gewerkschaft helfen könnte.

Bereits seit 1996 ist die Teco Immobilien GmbH dem Verband Deutscher Makler als schwarzes Schaf bekannt. Im Büro des Rechtsreferenten Rudolf Koch in Gelsenkirchen füllt sie zwei dicke Aktenordner. Koch ist seit über zehn Jahren als Ausbildungsdozent tätig und weiß, was einem Makler beizubringen ist. „Die Seminare von Teco sind so hanebüchen, dass ich mich frage, wie die Leute darauf reinfallen können“, sagt Koch. Aber, so schränkt er ein, „wenn ich drei Jahre arbeitslos wäre, würde ich mich auch an jeden Strohhalm klammern.“

Wie geschickt die Firma agiert, zeigen auch die erfolglosen Versuche von Wettbewerbsverbänden, die irreführende Werbung zu unterbinden. Der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V. beanstandete bereits Mitte der Neunzigerjahre, als die Firma in mehreren Städten als „bedeutender Anbieter in Europa“ ein „Maklerstudium“ anbot und Jahreseinkommen von knapp 200.000 Mark in Aussicht stellte, die Werbung als „sachlich unzutreffend“ und als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Doch Teco änderte nur ihre Masche: Die Firma begann, in Hamburg und Berlin mit Stellenanzeigen auf Kundenfang zu gehen.

Die letzte Abmahnung (Juli 2002) kam von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. Sie bezieht sich auf die aktuellen Anzeigen. Diese seien irreführend und somit wettbewerbswidrig. Denn „ein nicht unerheblicher Teil“ der Zeitungsleser müsse davon ausgehen, dass Arbeitsplätze angeboten werden. „Richtig ist hingegen, dass Interessenten ein kostenpflichtiges Seminar buchen sollen.“

Die Firma gibt sich in ihrem Antwortschreiben an die Wettbewerbszentrale ganz seriös: „Wir bieten jedem Bewerber eine Beschäftigung für unser Unternehmen an. Sollte ein Interessent nicht über das notwendige Fachwissen verfügen, so empfehlen wir den Besuch eines Fachseminars. Bewerbern mit nachgewiesener Erfahrung und Qualifikation ermöglichen wir den Berufseinstieg auch ohne Seminar.“

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt seit etwa einem Jahr gegen die Geschäftsführerin der Firma: wegen Betrugs. 25 Geschädigte hatten Anzeige erstattet. Vor Wochen wurden Verfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen vier Beschuldigte der Firma nach Berlin abgegeben und dort zu einem Verfahren zusammengefasst. Aber ob die Ermittlungen erfolgreich sein werden, ob also die Geschädigten ihr Geld zurückbekommen, ist fraglich. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Björn Retzlaff, meint: „Die Leute haben ja ein Seminar bekommen und die Möglichkeit, Wohnungen zu vermitteln.“ Nach Angaben des Sprechers konzentrieren sich die Ermittlungen darauf, den Nachweis zu erbringen, dass die angebotenen Wohnungen nicht oder nur schwer vermittelbar waren.

Unterdessen macht Teco munter weiter – unter anderem Namen. „Kolja Poppe Immobilien“ heißt es seit einiger Zeit auf dem Firmenschild im selben Gebäude, in dem vorher die Teco saß. Dort ist auch die Geschäftsführerin von Teco Immobilien zu erreichen. Sie will sich nicht zu den Ermittlungen äußern. „Wenn sich jemand auf die Füße getreten fühlt, macht das unser Anwalt“, sagt sie. Einen Kontakt zu dem Anwalt herzustellen, lehnt sie ab.

Trotz Abmahnungen und Ermittlungen geht die Firma weiterhin auf Kundenfang. Es sei nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, das zu unterbinden, sagt der Sprecher. Weil sich das Vertrauen der Geschädigten in die Ermittlungen ohnehin in Grenzen hält, versuchen sie ihr Glück vor dem Arbeitsgericht. Eine Architektin hat damit einen Teilerfolg errungen. Bei einem Gütetermin Ende Oktober war die Firma bereit, die Seminargebühren von 590 Euro zurückzuzahlen. Aber weil die Frau auch auf der Erstattung von Telefongebühren und Fahrtkosten bestand, ging der Termin ohne gütliche Einigung zu Ende. Nun wird sich demnächst eine Kammer des Arbeitsgerichts mit der Klage befassen. Andere Geschädigte wollen ihr Geld ebenfalls vor dem Arbeitsgericht einklagen.

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