Das Imperium schlägt zurück

Nach dem fulminanten Sieg des SPD-Establishments bei der Listenaufstellung rumort es in der Partei: Beklagt wird der dominierende Regionalproporz und das Wegbeißen unliebsamer Genossen

„Es gibt in der SPD offenbar Vorbehalte gegenüber Leuten aus alternativen Milieus“

Am Tag nach der öffentlichen Bekanntgabe des Listenvorschlags, mit dem der SPD-Unterbezirk Stadt zur Bürgerschaftswahl antreten will, rumort und ächzt es in der Partei vernehmlich. Während eine Riege verdienter, gremiengestählter Genossen die vorderen Plätze belegt, wurden aufstrebende, jüngere Abgeordnete aus der zweiten Reihe einem starren Regionalproporz zum Opfer gebracht.

Besonders der schlechte Listenplatz von Joachim Schuster bewegt die Gemüter innerhalb der SPD. Der Umwelt- und Energieexperte äußert sich nur sehr wortkarg zu der Entscheidung der Mandatskommission, ihn auf den wackeligen Rang 28 zu verbannen: „Offenbar war der Regionalproporz das zentrale Prinzip bei der Listenaufstellung“ – Sozialsenatorin Karin Röpke und Parlamentspräsident Christian Weber stammen wie Schuster aus Hastedt. Auch Röpke spart nicht mit Kritik an der Listenaufstellung: „Angesichts der Verkleinerung des Parlaments ist es fraglich, ob der Regionalproporz weiter so eine große Rolle spielen sollte“. Zu weiteren Gründen für seine Herabstufung will sich Schuster „nicht äußern“ – erst im März war er mit einer Kampfkandidatur gegen SPD-Chef Detlev Albers gescheitert.

Dass ein „unheimlich kompetenter“ Abgeordneter und „guter Debattenredner“ wie Schuster „aus dem Inneren der Partei heraus abgestraft“ worden sei, bedauert Helga Ziegert. Auch die DGB-Chefin, die mit Platz 22 noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist, spricht von einer „sehr behäbigen und selbstbezogenen Liste“.

„Ich bin recht niedergeschlagen, fühle mich rausgeschmissen“, sagt der junge Abgeordnete Michael Engelmann, der mit Listenplatz 32 den Sprung in die Bürgerschaft kaum wieder schaffen dürfte. Nach vier Jahren im Parlament „aus irgendwelchen Gründen die Rote Karte gezeigt“ zu bekommen, sei „eine herbe Niederlage“. Nie sei ihm von Seiten der Partei gesagt worden, er leiste schlechte Arbeit, klagt der 33-Jährige. Offenbar lege die SPD keinen großen Wert mehr auf „Minderheitenthemen“, so der Schwuso-Bundesvorsitzende.

Deutlich angefressen wirkt auch Engelmanns Fraktionskollege Mario Domann-Käse, der auf den unsicheren Rang 27 verfrachtet wurde. Sein Fachgebiet, die Wissenschafts- und Forschungspolitik, werde eben von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Käse macht jedoch vor allem strukturelle Gründe für seinen Absturz verantwortlich: „Es ist ein gewisses Rollback in der SPD zu spüren.“ Auf die sicheren Plätze habe man „vorwiegend ältere Genossen mit Stallgeruch“ gesetzt, während es „gegenüber offeneren Leuten aus alternativen Milieus und der intellektuellen Szene“ offenbar Vorbehalte gebe: „Das Imperium schlägt zurück“, bringt Käse seinen Missmut über die SPD-Oberstrippenzieher auf den Punkt.

„Enttäuscht“ ist Juso-Chef Thomas Ehmke (Platz 30), der als Nachrücker in der Bürgerschaft „in den letzten zwei Jahren einen guten Job gemacht“ haben will. Allerdings gelte es jetzt, „die Entscheidung der Partei zur Kenntnis zu nehmen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen“, formuliert das Fraktions-Nesthäkchen im Polit-Sprech. Deshalb werde er sich wohl „aus dem politischen Geschäft zurückziehen“ und sich wieder ganz auf sein Jurastudium konzentrieren.

Markus Jox