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„Ausmerzung von Störfaktoren“

Laut einem offiziellen Tarifabkommen von 1975 zahlte Mercedes-Benz Argentinien ein Prozent des monatlichen Umsatzes für die Jagd auf Oppositionelle an eine rechte Gewerkschaft. Bis zu 30 Millionen Dollar aus der Firmenkasse für Mord und Folter?

aus Buenos Aires GABY WEBER

Die Stimmung war schlecht, damals im Verband der argentinischen Autobauer (Adefa). Die Mächtigen fühlten sich in einer Falle. Guerilleros entführten Manager, und der rechte Gewerkschaftsboss kassierte schamlos dafür ab, die Fabriken von linken Aktivisten zu säubern. Die „Triple A“, die Todesschwadron aus Polizisten und Gewerkschaftern, jagte Oppositionelle. Dass die Großindustrie diese Jagd finanzierte, liegt nahe, war aber bisher nicht zu beweisen. Bei Adefa sind „keine Unterlagen auffindbar“, so Verbandssprecher José Luis Reidy.

Unterlagen wurden vergangene Woche dem Landgericht in La Plata vorgelegt, darunter der offizielle Tarifvertrag zwischen Mercedes-Benz Argentinien (MBA) und der Automobilarbeitergewerkschaft Smata, in Kraft seit dem 21. Juli 1975, Az.18/75 E. Artikel 29 betrifft den „Sonderfonds der Sozialen Aktion“, in den das Unternehmen jeden Monat ein Prozent des Umsatzes einzahlt. „Dieses Geld ist Gegenstand einer besonderen Verwaltung und Buchführung. (…) Die Verwaltung des Geldes liegt ausschließlich in den Händen des Nationalen Leitungsrates von Smata. (…) Für die Firma und Smata ist es eine unbedingte soziale Verpflichtung, die Produktion zu verbessern, indem alle negativen Faktoren, die den normalen Ablauf der Arbeit und des Unternehmens schaden können, ausgemerzt werden.“

Zwischen April 1976 und August 77 wurden 17 Betriebsräte von Mercedes-Benz verschleppt. Fünfzehn wurden nachts entführt, von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Es überlebten nur zwei, die aus dem Werk, vor vielen Zeugen, abgeführt wurden. „Die Werksleitung arbeitete aktiv mit der Repression zusammen“, glaubt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Auf seinen Antrag ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg seit 1999 gegen DaimlerChrysler Argentinien wegen Beihilfe zum Mord. Kaleck hat jetzt einen internationalen Haftbefehl gegen den damaligen Produktionsleiter Juan Tasselkraut beantragt.

In Buenos Aires haben Ende Oktober die Hinterbliebenen Anzeige wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Mercedes-Benz, den Gewerkschaftsboss José Rodríguez und die Militärs erstattet. Verwickelt ist auch der damalige Arbeitsminister und heutige Außenminister Carlos Ruckauf. Er hatte am 6. Oktober 1975 das Dekret 2772 über die „Vernichtung der Subversion“ unterzeichnet. Laut einem Schreiben von Hanns Martin Schleyer, hat die Firma stets Rodríguez und Ruckauf „bei der Eliminierung der Subversion in den Fabriken unterstützt“. Opferanwalt Ricardo Monner Sans hat am vergangenen Donnerstag das „Tarifabkommen 18/75 E“ dem Ermittlungsrichter vorgelegt. „Nach außen wirkt der Tarifvertrag wie ein Abkommen zwischen Gleichen, dem Unternehmen, der Gewerkschaft und dem Arbeitsministerium. Im Innenverhältnis aber ist klar, wer das Sagen hatte: Wer zahlt, befiehlt.“ Und der Befehl hieß: Ausmerzung. „Erradicación“.

Dieser „Tarifvertrag“ muss dem Mutterhaus in Stuttgart bekannt gewesen sein. Ein Prozent des Umsatzes ist nicht aus der Portokasse zu entrichten. Der ehemalige Justiziar von MBA, Pablo Cueva, hat die Existenz dieses Abkommens bestätigt, präzisierte aber nicht, wie viel gezahlt worden war. In den Sonderfonds musste ein Prozent des dem Finanzamt gegenüber ausgewiesenen Umsatzes eingezahlt werden, abzüglich der an den Staat verkauften Fahrzeuge. Laut Adefa-Statistik könnte die Summe an 30 Millionen Dollar heranreichen.

Ford hat laut Zeugenaussagen bis zum Militärputsch im März 1976 dieses eine Prozent gezahlt. Doch haben weder die Arbeiter noch die Smata-Funktionäre von diesem Geld etwas gesehen. Allein José Rodríguez habe Zugriff gehabt. Ob mit diesem Geld bewaffnete Banden bezahlt worden sind? „Wahrscheinlich“, so ein früherer Ford-Vertrauensmann.

Während das „Ein-Prozent-Abkommen“ die argentinischen Medien beherrscht, tagte in San Diego das Exekutivkomitee des Internationalen Metallarbeiter-Bundes (IMB). Die österreichische Metallarbeitergewerkschaft hat eine Untersuchung gegen José Rodríguez beantragt, seit Anfang der 70er-Jahre IMB-Vizepräsident. Die Italiener, die Franzosen und die Brasilianer fordern seine Suspendierung. Das Thema wurde nicht diskutiert. IMB-Präsident Klaus Zwickel – so hieß es aus der IMB-Zentrale in Genf – habe die Suspendierung abgelehnt, weil „so was nicht zu machen sei.“ Sprach’s und bestieg den Reisebus in Richtung mexikanische Grenze, Teil des „sozialen Programms“.

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