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Richter in Rampenlicht

Um das morgige Urteil zum Zuwanderungsgesetz ranken sich in Karlsruhe so viele Spekulationen wie noch nie

FREIBURG taz ■ In Karlsruhe zählt man schon die Tage, bis wieder einigermaßen normale Verhältnisse einkehren. Am morgigen Mittwoch will das Bundesverfassungsgericht sein mit Spannung erwartetes Urteil zum Zuwanderungsgesetz verkünden. Dabei geht es allein um die Frage, wie das von beiden Seiten inszenierte Theater in der Länderkammer („Ja“ – „Nein“ – „Ja“ – „Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident“) rechtlich zu bewerten ist.

Der Inhalt des Zuwanderungsgesetzes spielte in der Unions-Klage wie auch in der Verhandlung keine Rolle. Trotzdem wird das Verfahren davon überschattet. Auf dem Prüfstand steht eben nicht nur eine turbulente Abstimmung im Bundesrat, sondern auch ein zentrales Reformvorhaben von Rot-Grün.

Auch die acht Richter des zuständigen Zweiten Senats ließen sich davon offenbar beeinflussen. Bei der mündlichen Verhandlung im Oktober schienen sich die Sympathien der Richter exakt danach auszurichten, von welcher Seite sie einst nach Karlsruhe geschickt wurden. Es drohte ein Patt mit vier zu vier Richterstimmen, das zur Ablehnung der Klage geführt hätte.

Mitte November hieß es jedoch in Presseberichten, es gebe inzwischen eine Fünf-zu-drei-Mehrheit für die Unionsklage. Damit wäre das Zuwanderungsgesetz gescheitert. Schon die Veröffentlichung dieses frühen Zwischenstandes war für Karlsruher Verhältnisse ein Skandal. Bisher waren Ergebnisse allenfalls wenige Tage vor Verkündung des Urteils durchgesickert.

Ob die Berichte überhaupt zutrafen, ist bis heute unklar. Schon wenige Tage später meldete die Wirtschaftswoche, im Zweiten Senat stehe es noch „vier zu vier“ – wobei der Kanzler einen schwankenden Verfassungsrichter angerufen und ihm ins Gewissen geredet habe. Bundeskanzler Schröder gab zwar umgehend eine eidesstaatliche Versicherung ab, dass der Bericht falsch sei. Widerrufen oder berichtigt wurde die Meldung freilich nicht.

Für noch mehr Konfusion sorgte dann Anfang dieses Monats ein Artikel in Bild am Sonntag. Demnach hänge alles an Richterin Gertrude Lübbe-Wolff. Vier Richter seien entschlossen, für die Unions-Klage zu stimmen und drei dagegen, nur die parteilose Lübbe-Wolff ringe noch um ihr Votum. Für Beobachter der mündlichen Verhandlung war das jedoch wenig plausibel. Die einst von der SPD vorgeschlagene Bielefelder Professorin schien die Unions-Argumentation damals recht eindeutig abzulehnen. CHRISTIAN RATH

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