heyms grabstein: Zwei jüdische Kulturen
Als die neue Programmdirektorin des Jüdischen Museums, Cilly Kugelmann, ihr Konzept für die Museumsarbeit vorstellte, plädierte sie für eine „brüchige, weniger chronologische“ Darstellung jüdischen Lebens, auch in der Gegenwart. Das beinhaltet nicht nur Präsentationen der Briefe, die der Publizist Henryk M. Broder während der Antisemitismus-Debatte bekommen hat, sondern auch eine Auseinandersetzung um Berührungspunkte und Konflikte der jüdisch-muslimischen Kulturen.
Kommentar von UWE RADA
Ganz anders dagegen die Friedhofsverwaltung des Jüdischen Friedhofs in Weißensee. Hier blockiert die Tradition den Dialog. Entweder kommen auf den Grabstein von Stefan Heym Davidstern und hebräische Schriftzeichen, oder es gibt keinen Grabstein.
Vor kurzem hat der Schriftsteller Rafael Seligman einen eindringlichen und fast schon verzweifelten Aufruf verfasst. Wenn es den jüdischen Gemeinden nicht gelinge, sich in die Gesellschaft hinein zu öffnen, betreibe man, gewollt oder ungewollt, eine Fortsetzung jüdischer Kultur als einer Kultur der Opfer. Jüdische Kultur sei aber auch in Deutschland sehr viel mehr. Denselben Ansatz vertritt das Jüdische Museum, wenn es deutlich macht, dass es ein jüdisches Leben vor und nach dem Holocaust gab und gibt.
Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der Streit um den Grabstein von Stefan Heym zusätzliche Bedeutung. Es scheint, als gäbe es in Berlin nicht nur zwei recht gegensätzliche Auffassungen von jüdischem Leben in der Stadt. Es scheint auch, als würde sich die Jüdische Gemeinde, deren Kulturdezernat die Friedhofsverwaltung in Weißensee untersteht, alles tun, der von Seligman so dringend geforderten Öffnung zu widerstehen.
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