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MAIL-BEISPIEL 2: BEICHTE VOR DEM HERRN
„Bruder in Christus!
Ich segne Sie und die Kirche im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Ich weiß, dass dieser Brief Sie überraschen wird, aber ich bete, dass Sie in Ihrem Herzen die Zeit und den Willen finden, mir zu helfen, zu beten und den Herrn um Vergebung für meine Sünden zu bitten. Denn ich habe gesündigt. Ich habe getötet, vergewaltigt und viele unverzeihliche Dinge getan, so dass ich nur mein Haupt in Schande beugen kann. Also bitte, Bruder, helfen Sie mir und beten Sie für meine Seele.
Meine Name ist Sankoy Chulumba alias „Terror“, Sondermilitärberater des verstorbenen Präsidenten Laurent Kabila der Demokratischen Republik Kongo. Ich werde dieses Jahr 37 Jahre alt. Von diesen Jahren verbrachte ich 16 im Busch. All diese Jahre galt meine ganze Treue dem verstorbenen Präsidenten. Ich stahl, tötete und verübte alle Arten von Gräueltaten. Als wir schließlich die Armee Mobutus überrannten, wurde ich mit dem Posten des Sondermilitärberaters belohnt. Ich war nicht nur sein wichtigster Sicherheitsoffizier, ich war auch mit Waffenkäufen und -lieferungen aus Südafrika betraut.
Eine Woche vor dem Tod des Präsidenten war ich in Südafrika – mit 12,5 Millionen Dollar in bar, die auf diplomatischem Weg eingeführt wurden. Mit diesem Geld sollte mein Land Antipanzergeschosse bezahlen. Da erfuhr ich vom Tode Kabilas. Meine erste Reaktion war, das Geld bei einer Sicherheitsfirma in Südafrika zu deponieren. Das tat ich dann auch und traf Vorbereitungen für meine Rückkehr in den Kongo. Da begegnete mir ein Taxifahrer, der mir vom Herrn und den Wundern seines Sohnes erzählte. Seit diesem Tage bin ich nicht mehr derselbe. Immerzu höre ich die Schreie kleiner Kinder, und wenn ich schlafe, sehe ich in meinen Träumen dieses bluttriefende Haus.
Ich spüre, dass meine Sünden mich einholen. Ich habe den Herrn um Vergebung gebeten. Das Geld habe ich nicht angerührt. Ich kann nicht zurück in den Kongo, weil die Regierung davon ausgeht, dass ich mit dem Geld durchgebrannt bin. Außerdem will ich nicht, dass sie dieses Geld bekommt, denn sie wird es für ihre Kriegsziele einsetzen. Persönlich will ich mit diesem Geld nichts mehr zu tun haben. Der einzige Weg, wie ich meine Seele retten kann, ist, dieses Geld der Menschheit zurückzugeben, durch eine Kirche, die es dafür benutzen wird, die Botschaft des Herrn zu verbreiten. Vielleicht wird unser Vater meine arme Seele für Vergebung in Betracht ziehen. Kann Ihre Kirche dieses Geld verwalten?
Ich bin nur über meine E-Mail-Adresse sanchulu@hotmail.com erreichbar, aber wenn Sie antworten, so schreiben Sie bitte Ihre Telefonnummer dazu, damit ich Sie aus einer Zelle anrufen kann. Bitte Bruder, beten Sie weiter für mich, während ich Ihrer Antwort entgegenfiebere. Gott segne Sie und Ihr Amt.
Ihr Bruder in Christus, Sankoy Chulumba.“
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