Youtube droht mit Video-Sperrung: Tschüss Adele, tschüss Thom Yorke

Google plant einen Streamingdienst und kann sich mit einigen Indie-Labels nicht über die Tarife einigen. Deshalb sollen jetzt Videos gesperrt werden.

Bald offline? Adele-Musikvideo bei Youtube. Screenshot: http://www.youtube.com/user/AdeleVEVO

Leg dich nicht mit Google an. So lautet der Imperativ, den die Google-Tochter YouTube derzeit gegenüber Indie-Labels wenig subtil übermittelt. Und wenn du dich doch mit ihnen anlegst, dann sperren sie dein Video. Lassen deine Künstler von der Bildfläche verschwinden. Dich, Adele. Und auch dich, Thom Yorke.

Denn aktuell gibt es Streit zwischen YouTube und den Indie-Plattenfirmen, die unter anderem eben Bands wie Radiohead, The National oder The XX vertreten. Grund ist der von Seiten des Google-Konzerns geplante Musikstreaming-Dienst, der vermutlich YouTube Music Pass heißen wird und um deren Tarife man sich nicht einigen kann.

In der zweiten Jahreshälfte soll er gestartet werden, nachdem der vergleichbare Service Google Play floppte. Während YouTube sich mit den Major-Labels (Universal, Sony, Warner) über die pauschale Vergütung einigte, ging es in den Verhandlungen mit den Indies, die global vom Worldwide Independent Network (WIN) vertreten werden, nicht voran.

Am Dienstag kündigte YouTube-Chef Robert Kyncl in einem Interview mit der Financial Times nun an, man wolle den Streaming-Dienst so oder so starten – dann halt ohne die Independent-Labels. „In einigen Tagen fange man an, auf dem bisher bekannten Clip-Portal Videos von jenen Labels zu sperren, die der Vereinbarung nicht zustimmen.

Einige Hip-Hop-Plattformen meldeten am Mittwoch, dass YouTube bereits am Freitag mit dieser Maßnahme beginne. Da Presseanfragen an YouTube in aller Regelmäßigkeit scheitern, kann man über den Zeitpunkt nur spekulieren.

Ruf nach Brüssel

Aus einem Druckmittel, einer Drohgebärde, die YouTube da an den Tag legt, wird somit wohl schon bald ein abgelaufenes Ultimatum. Im Kampf um den begehrten Musikstreaming-Markt – in nahezu allen Ländern der Erde wächst der Markt der Online-Musikdienste – setzt YouTube auf das Recht des Stärkeren, besser: auf die Macht des Stärkeren. Zudem sprach YouTube-Boss Kyncl davon, man habe sich ja mit 95 Prozent der Labels in der Branche geeinigt.

Das stimmt für Deutschland nicht: Hier machen Indie-Labels etwa 30 Prozent des Markts aus – Tendenz steigend. „Wir haben es mit einem Missbrauch der Marktmacht zu tun“, sagt Verena Blättermann, Pressesprecherin des Verbands unabhängiger Musikunternehmen in Deutschland (VUT), „ähnlich, wie wir es bei Amazon jüngst gesehen haben.“ Amazon richtete im Buchhandel kürzlich längere Lieferzeiten bei Produkten von jenen Verlagen ein, die auf einen für den Großkonzern günstigeren Deal nicht eingehen wollten.

Auf europäischer Ebene werden die Indies von IMPALA (Independent Music Publishers and Labels Association) vertreten – IMPALA forderte jüngst die Europäische Kommission und Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia auf zu intervenieren. Die Kommission solle sich dafür einsetzen, dass YouTube die Drohungen und Sperrungen unterlasse.

Die Chefin des globalen Zusammenschlusses der Indies (AIM), Alison Wenham, kommentierte: „Unsere Mitglieder sind kleine Geschäftsleute, die die Einnahmen durch das Streaming brauchen, um in neue Talente zu investieren. Nun wird ihnen von einem der größten Unternehmen der Welt gesagt, dass sie raus sind aus dem Geschäft. Das ist keine faire Art und Weise, Business zu machen.“

„Internet der Superstars“

Die Vertragsparteien YouTube und WIN nennen keine Zahlen zum letzten Stand der Verhandlungen. Das Angebot YouTubes liege aber noch unter dem Betrag, den die Anbieter //www.spotify.com/de/:Spotify oder Deezer an die Labels zahlten. Ungefähre Größenordnungen derzeit: Bei Deezer sind es 0,007 Euro, bei Spotify 0,005 Euro, die pro abgespieltem Track an die Plattenfirma gehen. Demnach müsste man also auf 10.000 Klicks pro Song kommen, um 50, 70 oder 90 Euro ausgezahlt zu bekommen.

Derzeit kommen die Indie-Labels bei YouTube-Videos über die eingeblendete Werbung zu kleinen Erträgen, die eher noch darunter liegen. Während Musiker wie der linke Punk-Liedermacher Billy Bragg davon ausgehen, dass sich ein Angebot, das das Indie-Repertoire ausspart, nicht durchsetzen wird, sprach Ed O‘Brien, Radiohead-Gitarrist, von einem „Internet der Superstars und des Big Business", falls YouTube seine Marktmacht missbrauche.

Die größten Player auf dem Streamingmarkt sind derzeit Spotify (Stockholm), Deezer (Paris) und Simfy (Berlin). Der Umsätze im Bereich Streaming wuchsen zuletzt in Deutschland innerhalb eines Jahres um über 90 Prozent. Insgesamt machten die Umsätze des Streaming laut Bundesverband Musikindustrie im Jahr 2013 etwa fünf Prozent des gesamten Tonträgermarkts aus. Da der Streaming-Kuchen aber wohl weiterhin rasant wachsen wird, kommt der Angriff von YouTube nicht so überraschend. Sich hier zur Wehr zu setzen mit allem was man hat – tolle Künstler, all dem guten ‚Content‘, den man liefert - ist ein entsprechend weitsichtiges Engagement.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.