Wolf Biermann im Bundestag: Zentrum für politische Hässlichkeit
Ein Drachentöter will er sein – und tritt doch nur nach unten. Wolf Biermann hat seine Chance zur Rebellion verpasst. Andere nutzen sie umso mehr.
Es ist natürlich richtig, zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die schlimmen Seiten der DDR noch einmal in Erinnerung zu rufen. Aber gleich Wolf Biermann?
Dabei ist gar nicht so leicht zu entscheiden, was an dessen Auftritt im Bundestag eigentlich den größten Anlass zum Fremdschämen bot. Denn erstens deliriert Biermann: „Mein Beruf war doch Drachentöter“, und ein solcher könne schließlich „nicht mit großer Gebärde die Reste der Drachenbrut tapfer niederschlagen“, nur um es mit großer Gebärde, allerdings eher wenig tapfer dann eben doch zu tun und die im Bundestag anwesenden Vertreter der Linkspartei als „den elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden ist“ zu dissen.
Drachenbrut? Angesichts des Zustands der marginalisierten Opposition in Zeiten der Großen Koalition wäre es treffender, von armen Würmchen zu sprechen, und so ergäbe das Bild auch Sinn, denn dann wäre Biermann kein Drachentöter, sondern nur der nach unten pickende eitle Gockel, der er nun einmal ist.
Der sich, zweitens, dabei auch noch in eine unappetitliche Siegerpose wirft, wenn er zu den Linken sagt: „Ihr seid dazu verurteilt, das hier zu ertragen. Ich gönne es Euch.“ Womit er in gewisser Weise sogar Recht hat, denn dass in der DDR allerhand schief gelaufen ist, zeigt sich ja nicht zuletzt daran, dass sie Gestalten wie Biermann hervorgebracht hat, die ein Vierteljahrhundert nach Mauerfall immer noch ein solcher zunehmend verbittert wirkender Hass auf die alten Gegner umtreibt. Wobei Biermann putzigerweise direkt im Anschluss singt: „Du, lass dich nicht verbittern, in dieser bitteren Zeit“ und dabei offenbar so gar nichts bemerkt.
Namenloses Unrecht
Drittens leidet Biermann an einer offenbar ganz respektablen Hybris. Er reklamiert für sich, die Mauer quasi im Alleingang eingerissen zu haben. So ruft er den Linken zu: „Ich habe euch zersungen mit den Liedern, als ihr noch an der Macht wart“ – als habe er nicht nach seiner Ausbürgerung 1976 vor allem die Nerven der Westdeutschen zersungen und, schlimmer noch, zerredet. Auch so ein Unrecht der deutschen Teilung, über das heute niemand mehr spricht.
Und viertens schließlich geriert Biermann sich als nach wie vor unbeugsamer Rebell, obwohl er doch von der Staatsspitze einzig zu dem Zweck exhumiert wurde, die ohnehin schon de facto bedeutungslose Linken-Fraktion noch weiter zu demütigen. Während er also für die Regierung den nützlichen Idioten gibt, tut er gleichzeitig so, als befinde er sich damit im Widerstand.
Auf den ohnehin nicht ernst gemeinten, da völlig folgenlosen Hinweis von Bundestagspräsident Norbert Lammert, er sei zum Singen und nicht zum Reden eingeladen, erwiderte er: „Das Reden habe ich mir in der DDR nicht abgewöhnt und werde das hier schon gar nicht tun.“ Da hat er sich ja ordentlich was getraut. Widerworte gen Norbert Lammert! Was für ein Drachentöter!
Dabei hätte Biermann durchaus die Chance gehabt, ein kleines bisschen mutig zu sein. Statt zum Mauergedenken längst geschlagene Schlachten mit den Nachkommen der Machthaber von gestern zu führen, hätte er auf die zahlreichen Toten an der EU-Außengrenze hinweisen können, die die aktuelle Mauerpolitik der heute Herrschenden zur Folge hat. Dafür hätte es dann allerdings vermutlich keinen johlenden Applaus von der Bundestagsmehrheit gegeben.
So bleibt es dem „Zentrum für politische Schönheit“ mit seiner Mauertoten-Gedenkkreuz-Aktion vorbehalten, dem Jubiläumstag angemessen, tatsächliche Dissidenz zu zeigen, während Biermanns Geplänkel im Bundestag eben doch nur für die in Deutschland nach wie vor vorherrschende politische Hässlichkeit steht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste