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Verlorene Jugend in Italien„Ich fühle mich verraten“

Ein 30-Jähriger nimmt sich in Italien das Leben, sein Abschiedsbrief wird öffentlich. Aus einer privaten Tragödie wird die eines Landes.

Jung in Italien: Da geht der Blick gerne abwärts Foto: Imago / Frank Sorge

Rom taz | Ein 30-Jähriger, der sich das Leben nimmt: Eigentlich wäre das keine Nachricht für Italiens überregionale Zeitungen oder die TV-Nachrichtensendungen. Doch Michele rüttelte mit seiner Tat das ganze Land wach, denn statt eines Abschiedsbriefs hinterließ er eine wütende, verbitterte, verzweifelte Abrechnung – eine Abrechnung, in der sich Hunderttausende, wenn nicht Millionen junger Italiener wiederfinden.

„Ich habe 30 Jahre (schlecht) gelebt“, beginnt das Schreiben, das seine Mutter nach Micheles Tod dem kleinen Regionalblatt Messaggero Veneto zur Veröffentlichung gegeben hatte. „Ich habe es satt, mich anzustrengen, ohne Resultate zu erreichen, ich habe die nutzlosen Vorstellungsgespräche als Grafiker satt, ich habe es satt, den Erwartungen aller zu genügen, ohne je meine Erwartungen erfüllt zu sehen, satt, gute Miene zu einem miserablen Spiel zu machen.“

Nie hatte Michele, der im nordostitalienischen Friaul lebte, nach seiner Ausbildung zum Grafiker eine feste Beschäftigung gefunden. Ihm ging es wie so vielen seiner Generation: etwa 800.000 junge Arbeitslose zählt die Statistik, über 40 Prozent beträgt der Anteil derer, die keinen Job haben. Und wer in Arbeit ist, muss sich oft genug mit miserabel bezahlten Honorarverträgen ohne Festanstellung durchschlagen.

Michele empfand diese Situation als hoffnungslos. „Ich kann mein Leben nicht damit verbringen, bloß um mein Überleben zu kämpfen“, schreibt er, „die Zukunft wird ein Desaster sein, dem ich nicht beiwohnen, an dem ich auch nicht teilhaben möchte“.

Und Michele setzt nach: „Ich habe nicht verraten, ich fühle mich verraten, von einer Epoche, die es sich erlaubt, mich beiseitezustellen.“

Die Hoffnung ist verpufft

Eine Generation, der ihre Zukunft geraubt wurde – so fühlen sich zahllose junge Italienerinnen und Italiener, die ohne jedes Einkommen oder bloß mit Minimalverdiensten leben, die notgedrungen auch mit 30 oder 35 Jahren noch bei ihren Eltern wohnen, die nur von der Familie durchgezogen werden.

Gerade ihnen hatte der jung-dynamische Matteo Renzi die Wende versprochen, als er vor genau drei Jahren, im Februar 2014, die Regierung übernahm. Renzi gab sich als Sprecher ihrer Generation, als einer, der – bei der Politik angefangen – endlich die „Alten“ ins Abseits stellen, den Jungen die Tore öffnen wollte. Und bei den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 dankten es ihm gerade auch die Jungwähler mit massivem Zuspruch.

Doch die Hoffnung ist verpufft. Zwar hat Italien wieder ein – wenn auch sehr bescheidenes – Wachstum vorzuweisen. Zwar geriet auch der Arbeitsmarkt in Bewegung. Doch neue Jobs entstanden vor allem für die über 50-Jährigen, die Jugendlichen dagegen gingen leer aus. Auf die Regierung kommt Michele ganz am Ende seines Briefs zu sprechen: „P.S., Komplimente an Minister Poletti. Er ist einer, der uns als Arschlöchern gebührenden Wert zubilligt.“

Abwanderung Zehntausender meist junger Menschen

Giuliano Poletti, Arbeitsminister im Kabinett des im Dezember 2016 zurückgetretenen Regierungschefs Renzi, behielt seinen Job auch in der neuen Regierung unter Paolo Gentiloni. Ausgerechnet Poletti hatte im Dezember letzten Jahres die Abwanderung Zehntausender meist junger Menschen – allein im Jahr 2015 verließen 107.000 Italiener ihr Heimatland – mit der herablassenden Bemerkung kommentiert, bei einigen dieser Auswanderer sei es „besser, dass sie uns nicht mehr hier auf die Nerven gehen“.

Dabei kann der Arbeitsminister auf der Habenseite verbuchen, dass er wenigstens einem jungen Mann zu einem festen Job verholfen hat: dem eigenen Sohn. Den Filius hatte der Minister, früher Präsident des Zentralverbands der Genossenschaften Legacoop, bei einer Genossenschaftszeitung als Chefredakteur untergebracht.

So viel Glück hatte Michele nicht, ihm blieb nur festzuhalten: „Diese Generation rächt sich für einen Diebstahl, den Diebstahl des Glücks“, bevor er seinem Leben ein Ende machte.

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56 Kommentare

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  • deDie, die nichts dafür können, werden sich schuldig fühlen, während die Schuldigen jede Verantwortung dafür zurückweisen. - Deshalb ist Suizid auch keine Lösung.

  • Leider sind es nicht nur die Regierungen, die sich nicht scheren um Leute wie Michele. Es sind auch die vielen anderen Betroffenen, ob sie nun 20 sind, 30, 50 oder 70.

     

    Die aller meisten von uns wollen einfach nicht „klein beigeben“. Sie wollen sich beweisen, dass sie etwas taugen. Noch ne Bewerbung, noch ein mies bezahlter Job, noch eine Weiterbildung – die Hoffnung, heißt es, stirbt zuletzt. Nur: Hoffnung worauf? Dass man doch noch erwählt wird von denen, die sich anmaßen zu selektieren?

     

    Die Leute können sich einfach nicht frei machen von der Ideologie, die ihnen von klein auf eingetrichtert hat: Wer sich wirklich bemüht, der kann sein Glück auch zwingen. Und wer es nicht schafft, der ist selber Schuld.

     

    Sie wollen selbst nicht als Versager dastehen und halten sich von den vermeintlicher Versagern fern, statt mit ihnen zusammen zu tun, was unbedingt getan gehört: Einigkeit herstellen, Privilegien angreifen, den Etablierten ihren Mittelfinger zeigen. Die Jugend ist zu „gut erzogen“. Nicht nur in Italien. Da aber offenbar auch.

     

    Scheiß auf fremde Erwartungen! Nur: Selbstmord ist doof. Der wird als Protestform gar nicht ernst genommen. Er wird bloß pathologisiert. Er wäre depressiv gewesen, wird es über Michele heißen, und dass niemand was kann für seinen Tod. So einfach hätte er sich selber nicht beiseitestellen dürfen, finde ich.

     

    Nein, man ist nicht krank, wenn man nicht wie ein Zombie leben will. Man ist krank, wenn man es tut. Nur: Wer soll das nun noch propagieren? Michelle nicht mehr. War offenbar kein lohnenswertes Ziel für einen Mann wie ihn. Unsere Zukunft würde wirklich ein Desaster werden, wenn alle so entscheiden würden. Und die, die sich noch wehren, müssten zur Strafe bis zum Ende mitmachen.

     

    Ich glaube fast, auch ich fühle mich gerade irgendwie verraten und im Stich gelassen. Aber nicht von den Arschlöchern. Von denen erwarte ich schließlich schon lange nichts mehr.

    • @mowgli:

      "Nein, man ist nicht krank, wenn man nicht wie ein Zombie leben will. Man ist krank, wenn man es tut."

       

      Das hat E. Fromm mal so formuliert:

       

      „Die Normalen sind die Kränkesten und die Kranken die Gesündesten. […] Wie glücklich der, der einen Schmerz hat, wenn ihm etwas fehlt. Wir wissen ja, wenn der Mensch keinen Schmerz empfinden würde, wäre er in einer sehr gefährlichen Lage. Aber sehr viele Menschen, also die „Normalen“, sind so angepasst, die haben so Alles, was Ihr Eigen ist, verlassen. Die sind so entfremdet, so Instrumente, so Roboter-haft geworden, dass sie gar keinen Konflikt mehr empfinden. Das heisst ihr wirkliches Gefühl, Liebe oder Hass, ist schon so verdrängt, so verkümmert, dass sie das Bild einer chronischen, leichten Schizophrenie bilden.“

  • @NUN_ABER_MAL_HALBLANG

    Danke für diesen Kommentar!!!

  • Seit Jahren befleißigt sich die deutsche Kanzlerin und ihre "schwarze Null", die südeuropäischen Länder ins Elend zu schicken. Man schaue mal nach Griechenland! Wir Deutschen waren maßgeblich daran beteiligt die dort lebenden Menschen zurück in die dritte Welt zu befördern. Selbstmorde sind dort an der Tagesordnung. Wie sagte Papst Franziskus so richtig: „Diese Wirtschaft tötet“. Aber wir halten stur daran fest. Ohne Rücksicht auf die Menschen die darunter zu leiden haben

    Ich schäme mich für uns!

    • @margarete2052:

      Wer ist denn bitte "WIR"?

       

      Ich hasse diese Kommentatoren, die ein paar kluge Sätze schreiben (wollen), und um sich selbst zu erhöhen, andere (die sie kein Stück kennen) in ihre Negativprojektion mit einzubeziehen.

       

      Diese Kommentatoren getrauen sich einfach nicht, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Statt dessen verunglimpfen sie mit ihrem "WIR fremde Menschen.

       

      Es ist genau genommen eine neue Form des NACH UNTEN TRETENS.

    • @margarete2052:

      "Wir Deutschen"

       

      Ihren persönlichen Sündenstolz in Ehren, ich habe niemanden ins Mittelalter befördert, danke.

  • Schon einmal hat Deutschland Europa zerstört. Damals war es militärisch. Heute zerstört Deutschland Europa erneut, dieses Mal ökonomisch. Mit einer Strategie eines Lohndumpings, das Beispiellos ist, da sich die anderen Ländern ohne eigene Währung nicht mehr wehren können. Zum zweiten, mit Austertiät, welche in dieser Situation noch nie in der Geschichte funktioniert hat, auch nicht unter Brüning Und wer danach kam wissen wohl doch noch die meisten oder? Statt wie einst Deutschland nach dem 2 WK mit Schuldenschnitt, Marshallplan und vieles mehr, wie zum Beispiel auch ein Schuldenmemorandum, von den Alliierten geholfen wurde, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, wird genau diese Solidarität der ehemaligen Siegermächte mit Deutschland, von Deutschland heute den Europäischen Ländern verweigert. Zumal in erster Linie Deutschland für die Krise in Europa verantwortlich ist. Denn hätte sich Deutschland wie vereinbart, an die europäischen Verträge gehalten, und seine Löhne entsprechend den Produktivitätssteigerungen plus Inflationsausgleich jährlich erhöht, hätten die anderen Länder nicht die Schwierigkeiten „wettbewerbsfähig“ zu werden. Da aber Deutschland nach Euroeinführung genau das Gegenteil von dem machte, was vereinbart war, und den größten Niedriglohnsektor in Europa einführte, trägt Deutschland die Hauptschuld an dieser nicht endenden Krise. Darüber hinaus, wurde aus einer Bankenschuldenkrise eine Staatsschuldenkrise gemacht.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Illoinen:

      " Zum zweiten, mit Austertiät, welche in dieser Situation noch nie in der Geschichte funktioniert hat, auch nicht unter Brüning Und wer danach kam wissen wohl doch noch die meisten oder?"

       

      Von Papen?

    • @Illoinen:

      Genau, nur Deutschland ist schuld. Nicht auch die jahrzehntelange Korruption und Misswirtschaft in den anderen Staaten. Nicht auch die teuren Wahlgeschenke, die durch immer mehr und mehr Schulden finanziert wurden. Nicht auch die Bevölkerung, die darauf angesprungen ist, ohne sich groß um die langfristigen Folgen der von ihr mitgetragenen Politik zu sorgen.

       

      Ich unterstütze die Austeritätspolitik in dieser Form keineswegs, m.E. braucht es durchaus die von Ihnen genannten Maßnahmen. Allerdings bringt das auch nur etwas, wenn - sobald die Staaten wieder auf sicheren Füßen stehen - dann auch entsprechende Sparmaßnahmen durchgeführt werden, u.U. verbunden mit Einführung eines europäischen Kontroll- und Genehmigungssystems für die nationale Haushalte (für alle EU-Staaten), um eben zu verhindern, dass die ungezügelte Schuldenmacherei zur Verdeckung von Missständen wieder von Vorne beginnt.

       

      Das ist aber nunmal deutlich komplexer als diese "Deutschland ist voll böse"-Vereinfachungen, die Sie kolportieren.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @sart:

        Belgien hat seit 2012 eine Staatsverschuldung von knapp über 100% (2008 = 89%), so wie Griechenland 2005. U.a. wegen der Bankenrettung stieg die Verschuldung Griechenlands von 107% (2007) auf fast 130% (2009) und steht heute bei 184%.

         

        Haben die Griechen also erst seit Beginn der Krise über ihre Verhältnisse gelebt oder tun das Belgien auch? Oder Italien und Portugal mit heute 133% bzw. 128%, im Gegensatz zu 106% bzw. 71% 2008? Oder Spanien mit 40% 2008 und 100% 2017? Auch in Frankreich ist die Staatsverschuldung gestiegen: von 67% 2008 auf 97% 2017. Aber Deutschland steht heute wie 2008 mit ca. 67% da.

         

        Polen dagegen hat seine Staatsverschuldung von 2008 bis heute nur von 47% auf 53% erhöht, Dänemark von 40 auf 46, Ungarn von 73 auf 75.

         

        Kann es sein, dass der EUR bzw. Nicht-EUR da eine gewichtige Rolle gespielt hat? Und kann es sein, dass die EUR-Dampfwalze Deutschland an der Verschuldung einer Reihe von europäischen Ländern ganz und gar nicht unschuldig war?

        • @849 (Profil gelöscht):

          Ja, schuld sind die Deutschen, Goldmann&Sachs und alle anderen Euro-Staaten, die es den griechischen Eliten im Jahr 2001 ermöglicht haben den Euro einzuführen und die griechische Bevölkerung nochmal so richtig auszunehmen.

           

          Verschuldet war Griechenland ja bereits zuvor bis über beide Ohren.

        • 3G
          36855 (Profil gelöscht)
          @849 (Profil gelöscht):

          Klare und wahre Darstellung, danke!

  • Junge Menschen in Neapel können noch viel traurigere Geschichten erzählen. Letztlich muss das Land sich reformieren und anders aufstellen.

     

    Wenn Korruption, Nepotismus und Klientelismus so verbreitet sind, dann stagniert ein Land, fast so ähnlich wie auf der anderen Seite des Mittelmeers in den arabischen Staaten. Andererseits bremst Deutschland den Konsum in der EU und zwingt andere EU-Staaten auf eine Dauerdiät, die eben Opfer hervorbringt.

     

    Dieser junge Mann wäre eben als Pizzabäcker in Stuttgart oder Brüssel besser zurecht gekommen, als in Friaul als Grafiker. Deswegen hauen ja auch so viele junge Italiener ab und nehmen dafür auch keine so tollen Arbeitsplätze in anderen EU-Staaten in Kauf.

     

    Rein volkswirtschaftlich rüstet Italien mit solchen Wanderungsbewegungen stark ab - diese Menschen müssten eigentlich jetzt die Produktion und den Konsum ankurbeln, für eine Entwicklung der Wirtschaftsstruktur sorgen. Aber das können sie nicht.

  • Scusi, Michele, aber: Grafiker???

     

    Wenn Du jetzt was anständiges gelernt hättest, ok. Aber Grafiker, das war doch schon vor 10 Jahren, als Du 20 warst und die Ausbildung vermutlich begonnen hast, eine eher prekäre Existenz. Was hast Du erwartet??

    • @Domkaspar:

      Gerade mal auf der Seite der Arbeitslosenverwaltung getestet. Derzeit 1029 Jobangebote. So ganz ungefragt ist der Beruf offensichtlich nicht.

       

      Aber mal eine Frage zu Ihrer Moral. Wer den falschen Beruf hat, soll sich ruhig aus dem Genpool der Menschheit entfernen? Habe ich das richtig verstanden?

  • Fällt das jetzt eigentlich unter Fake News, weil es der offiziellen Leseart widerspricht, dass es Italien besser geht?

     

    Es wird Zeit, dass erkannt wird, dass die "Sanierung" von Staaten nicht auf Kosten ganzer Generationen gehen darf. Fälle wie dieser mahnen dazu. Ich bezweifle aber, dass sich die politischen Entscheidungsträger davon zur Vernunft bringen lassen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Nein, denn Fake News sind bewusste Falschmeldungen wie Sie beispielsweise gerne Russia Today, oder andere putintreue russische Sender verbreiten, oder auch Donald Trump und seine Teebeutler.

      • @Grisch:

        Nach Ihrer Definition sind Fake News also Nachrichten, die der politische Gegner verbreitet. Wahrheitsgehalt egal.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Sie haben wohl das "beispielsweise" übersehen.

           

          Ihre Antwort zeigt trotzdem sehr schön in welchen Kategorien Sie selbst denken. Mit "Nachdenken" - was sie mit Ihrem Nick ja gerne vorgeben möchten - hat das allerings überhaupt nichts zu tun.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Besser geht" wird heute mit der "Bereitschaft" Schulden zu tilgen gleichgesetzt. Die verratene Jugend, nicht nur Südeuropas, entgeht aber den Lesern einiger namhafter Medien doch nicht. Ich denke, Sie übertreiben da etwas.

  • Also Moment mal...

    Ich Produziere seit Jahren für Lau als Leiharbeiter in Industriebetrieben Nahrungsmittel, Eisenwahren, Kautschuk und vieles mehr. Ich sammel als Leiharbeiter bei der Müllabfuhr den Dreck der Leute ein und hab auch schon bei der Wartung von Klärwerken verwesende Tiere, die Scheiße und die benutzten Tampons wildfremder Menschen von verstopften Filtern gekratzt.

     

    Das sind keine schönen Aufgaben, aber es sind Arbeiten die gemacht werden müssen,um die Grundbedürfnisse von Gesellschaften zu stillen, während man dafür wie Scheiße behandelt und noch schlechter bezahlt wird.

     

    Ich würde mal sagen, bevor das Heer an Grafikern, Kreativen, Werbefuzzies und sonstigen "Was-mit-Medien"-Paradiesvögeln hier irgendwelche Ansprüche stellt, werdet ihr erstmal uns als diejenigen ordentlich mit Geld und Privilegien abgelten, die euren Intellektuellen Kindergarten erst möglich machen.

     

    Regt euch halt über den Kapitalismus auf, aber der Sozialismus hat auch nicht endlos Verwendungen für jedes einzelne ganz besondere Scchneeflöckchen.

    • @Sorsha:

      Ja ja, das alte Modell, das Volk gegeneinander aufzuhetzen, funktioniert immer noch prächtig.

      Sorsha, Sie sind leider nur ein Steigbügelhalter, bei allem Respekt Ihnen und Ihrer Arbeit gegenüber.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Sorsha:

      Ohne den "intellektuellen Kindergarten" gäbe es auch keine Kläranlagen.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Der "intellektuelle Kindergarten", den Sorsha aufzählt, baut keine Kläranlagen, auch keine Häuser, keine Kanäle, keine Stromleitungen, er bebaut keine Felder, baut keine Machinen *Liste beliebig fortsetzen*. Das tun Ingenieure, die entwickeln und Arbeiter, die es bauen und andere Arbeiter, die es am Laufen halten (eben jene Schlechtbezahlten, die Sorsha erwähnt).

    • @Sorsha:

      Aber Sie wissen schonn -

      Was Zynismus ist - oder?

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        ein Leben lang ohne Wertschätzung meiner Arbeit? - ich würde wohl auch zynisch werden

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Schonn klar - aber ungesund bleibt's trotzdem!

  • Guter Artikel. In dieser kranken Epoche muss sich erst ein junger Mann umbringen, damit die Zustände überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Dass 100000 junge Leute pro Jahr ihr Land, Italien, verlassen, weil sie dort einfach keine Perspektive mehr haben, davon erfahren wir im Normalfall - nix.

     

    1. Es gibt Arbeit bis zum Abwinken. Nur soll die möglichst wenig kosten - natürlich nur, wenn die Masse sie ausführt. So ist es heute.

     

    2. Es gibt Reichtum bis zum Abwinken. Nur soll der bei möglichst wenigen konzentriert sein. So ist es heute.

     

    3. Es gibt genug Reichtum in Europa, um allen ein ordentliches Leben zu ermöglichen.

     

    Das zentrale Konzept ist Ausbeutung.

     

    Die Reichen sind die, die in der Position sind, andere auszubeuten. Das ist das alte und heutige Erfolgsmodell. Funktioniert immer nur für eine kleine Minderheit. Deswegen muss diese Minderheit die Mehrheit mit Zwang, Manipulation und Einschüchterung gefügig halten.

     

    Die reiche Minderheit wird daran nichts ändern, sondern versuchen, ihre Position noch weiter auszubauen, aus deren Perspektive läuft es super.

     

    Für die Mehrheit heißt das:

    - ihre Würde wiederzuentdecken und herzustellen

    - den Wert der Gemeinschaft wiederzuentdecken und zu leben

    - ihre Unterstützung der Reichen Schritt für Schritt abzubauen

     

    Leichter gesagt als getan, klar. Nichts, was über Nacht funktioniert. Aber die gegenwärtigen elenden Verhältnisse wurden über die letzten 30 Jahre Schritt für Schritt etabliert. Es gibt häufig Situationen im Alltag, wo wir Weichen stellen. Wenn wir dabei nach einem klaren Prinzip handeln, haben wir gute Chancen.

    • @uvw:

      Mir gefällt ihre Zusammenfassung. Was denken Sie, welcher Partei man bei der nächsten Bundestagswahl das Vertrauen aussprechen sollte?

      • 3G
        36855 (Profil gelöscht)
        @Energiefuchs:

        Mir gefällt die Zusammenfassung von UVW auch sehr gut.

        Die Antwort auf die Frage, die Sie gestellt haben, würde mich auch sehr interessieren.

        Was oder wen wähle ich?

        Die neue Partei, die sich für ein Grundeinkommen stark macht?

      • @Energiefuchs:

        Mal ne Formulierungshilfe -

        Bei der ersten freien Wahl zur Volkskammer der DDR 1949(?)

        Wurde massenhaft-parteilich gewählt -

        "Meine Partei ist nicht dabei!" &

        Dann bis zur Wende nie wieder!

        Leider.

  • Die Italiener hatten die Wahl. Im Dezember 2016 stimmten sie über eine Verfassungsänderung an, die politische Entscheidungen leichter und Blockaden schwerer gemacht hätten, indem sie das Zwei-Kammern-System entschlackt hätte.

     

    Die Italiener lehnten diese Änderung bei vergleichsweise hoher Wahlbeteiligung mit knapp 60% ab.

     

    Jedes Volk ist seines Glückes Schmied.

    • @Kapiert:

      Jau & das hier ist vom Groffschmitt!

      Kapiert?!

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Traurig, sehr traurig.

    Danke, dass die TAZ das Thema einmal aufgegriffen hat.

    Das ist Europa,das ist die EU, das ist das wahre Bild .

    Auch unsere junge Generation in Deutschland wird abgespeist mit Praktika, Zeitverträgen. Leiharbeit, sogar in den Ministerien.

    Wer von Arbeit für Alle spricht, von einem reichen Land, in dem wir leben, gehört mit Schimpf und Schade aus eben diesem gejagt. Das ist eine solch abscheuliche Verdrehung der Tatsachen.

    Es gibt gehörige Gewinner, aber ganz, ganz viele Verlierer in dieser Zeit und das werden wir politisch leider noch sehr zu spüren bekommen.

  • Ja, die Träume des Kapitalismus, ein trauriges Beispiel. Träume werden geschürt, kreative Berufe sollen es sein. Ausbildungen ohne Zukunft. Die Verantwortung überlassen wir gerne den Unternehmen. Es gibt inzwischen aber auch hoffnungsfrohe Beispiele junger Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und z.B. in Gemeinschaften sich kreativ und handwerklich, landwirtschaftlich verwirklichen und einbringen. In Portugal gibt es ein kommunistisches Dorf, das sich darauf besonnen hat, dass dieses Dorf ohne Kapitalismus bereits seit Jahrhunderten aus sich selbst heraus existiert hat. Jeder hilft jedem - beim Hausbau, in der Landwirtschaft und im sozialen Zusammenleben. Was braucht man mehr?

    Vergesst doch die alten Karriereträume einer untergehenden Epoche.

    • @nun_aber_mal_halblang:

      danke, danke für diesen Kommentar

    • @nun_aber_mal_halblang:

      Grafiker ist nicht unbedingt ein Beruf ohne Zukunft. Ich glaube ja immer noch an das Prinzip "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg". Man darf halt nur nicht darauf bestehen, dass es ein ganz bestimmter Weg sein soll. Es ist immer einfach, 'das System' für alles herhalten zu lassen. Ich hoffe nur, dass der Michele vorher in eine Organspende eingewilligt hat, damit der Selbstmord nicht nur 'Schelte' ist sondern denen hilft, die aus gesundheitlichen Gründen nicht nur nicht arbeiten sondern auch ihr Leben nur unter erschwerten Bedingungen meistern können.

       

      Vielleicht steckt ja noch mehr hinter dem Selbstmord als berufliche Perspektivlosigkeit ...

    • @nun_aber_mal_halblang:

      Träumen ist erlaubt :-)

    • @nun_aber_mal_halblang:

      Bloß , das noch nie ein kommunistisches Projekt funktioniert hat. Nicht auf Dauer.Ich kenne jedenfalls kein einziges.

      • @Voilodion:

        Kuba funktioniert bis heute. Obwohl die USA vehement versucht haben das kleine "kommunistische" Kuba zu isolieren und die Wirtschaft zu zerstören, sowie Castro umzubringen.

      • @Voilodion:

        Mag sein. Aber kannst du mir ein einziges kapitalistisches System nennen, das je funktioniert hat? Ich kenne jedenfalls kein einziges.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @jodare:

          Was ist denn bitte aus Ihrer Perspektive der Zweck des Kapitalismus?

    • @nun_aber_mal_halblang:

      Es sind ja wohl nicht nur Kreative, die keine Jobs finden. Die 800,000 werden doch nicht alle Grafiker oder Geisteswissenschaftler sein.

       

      In 20 Jahren wird das noch ganz anders aussehen. Egal ob man ne Klempnerlehre macht oder Grafiker werden möchte. Das ändert nichts daran, daß nicht für alle genügend Jobs da sind. Schon gar nicht solche Jobs, von denen man leben kann.

       

      Politik und Wirtschaft versuchen nach Kräften, über dieses Problem den Mantel des Schweigens zu breiten.

       

      Den Minister oder Regierungschef möchte ich mal sehen, der wahrheitsgemäß sagt, "wir haben nicht mehr für jeden einen Job, und das wird sich auch nicht ändern."

       

      Erst dann könnte man über das Problem überhaupt reden. Von Lösungen mal ganz zu schweigen.

      • @kditd:

        Minister oder sonstige Regierungschefs haben keine Jobs zu vergeben. Sie reden und sprechen zwar davon, mehr Jobs, höhere Löhne usw., aber letzendlich werden Jobs in der "freien Wirtschaft" geschaffen.Mit der Freiheit der Wirtschaft hängt Italien noch weiter hinterher wie Deutschland.Es würde jetzt zu weit führen, aber einen Großteil der Entwicklung in Italien liegt am Wirken der dortigen Gewerkschaften.

    • @nun_aber_mal_halblang:

      Der Untersschied zwischen Italien und Portugal ist, das in Portugal kaum jemand irgendeine Erwartung auf Besserung hat.

      Da ist es einfacher, gemeinsam arm zu sein. So etwas als Vorbild für uns? da bin ich doch skeptisch.

      So einfach wie in diesemDorf möchten nur sehr wenige Menschen freiwillig leben.

  • Das ist wirklich tragisch und zwar in vielerlei Hinsicht. :(

  • 3G
    37514 (Profil gelöscht)

    Wie Medien über Suizide berichten sollten, um Nachahmungstaten zu vermeiden:

     

    Sie sollten jede Bewertung von Suiziden als heroisch, romantisch oder tragisch vermeiden, um möglichen Nachahmern keine post-mortalen Gratifikationen in Form von Anerkennung, Verehrung oder Mitleid in Aussicht zu stellen.

    Sie sollten weder den Namen der Suizidenten noch sein Alter und sein Geschlecht angeben, um eine Zielgruppen-Identifizierung auszuschließen.

    Sie sollten die Suizidmethode und – besonders bei spektakulären Fällen – den Ort des Suizides nicht erwähnen, um die konkrete Imitation unmöglich zu machen.

    Sie sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten vermeiden.

     

    (Quelle: psychosoziale-gesundheit.net)

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @37514 (Profil gelöscht):

      Zum Erwachsenen-Sein gehört auch, herauszufinden wie man mit den unschönen Apekten des Lebens und des Todes umgehen und wie darüber sprechen soll und das betrifft natürlich auch alle Medien.

      Bei allem Respekt für die Intention dahinter - so wie oben gefordert, durch Ausblenden, geht es definitiv nicht!

    • @37514 (Profil gelöscht):

      Es ist so bequem, die Gründe von Selbstmorden nicht zu diskutieren.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Stimmt! das sieht man auch an Ihrem Post, denn sie wollen sich mit den wahren Gründen von Suiziden offensichtlich nicht beschäftigen.

         

        Ich gebe mal ein Stichwort: Depression.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @37514 (Profil gelöscht):

      So lächerlich.

      Das hieße, gar nicht mehr über Suizid zu berichten, außer als Statistik. Die Menschen noch im Tod als (klinische) Fälle entmenschlichen. Wenn Menschen sich aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Zustände das Leben nehmen, soll man deren Geschichten nicht erzählen?

      Da ist der gut gemeinte Ratschlag etwas fehl am Platz. Amokläufe und Selbstmordanschläge sind weitaus spektakulärere Suizide und es wird viel reißerischer darüber berichtet. Jedesmal wird sofort über die Identität des Täters und seine Motivation wild spekuliert (wobei die taz hier gar nicht mal gemeint ist).

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Dass über Amokläufe und Terroranschläge zu reißerisch berichtet wird, macht den Bericht in diesem Fall doch nicht besser.

         

        "Andere machen es doch auch." war noch nie ein gutes Argument.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        "So lächerlich" ist das nicht (Stichwort 'Werther-Effekt'); ich empfehle, die umfangreiche Literatur zum Thema 'Medien und Berichterstattung über Suizide' und die entsprechenden Presseleitfäden zur Kenntnis zu nehmen.

        • @M.Schneider:

          Aber das hieße auch, dass man über Selbstverbrennungen bzw. Suizid aus politischen Gründen gar nicht mehr reden darf. Das ist doch das letzte Mittel, das ein Mensch für seinen Protest hat!

          • @Energiefuchs:

            Ich stimme zu: Natürlich darf und muss man auch über Suizide berichten, gerade auch über solche mit politischem Hintergrund.

             

            Aber ich denke, man sollte es mit Bedacht tun, worauf GEREON_HOFFMANN m.E. zurecht aufmerksam gemacht hat, ein Hinweis, der von HANNIBAL_CORPSE, wie ich meine, etwas vorschnell als "so lächerlich" abqualifiziert wurde.

             

            "Bedacht" könnte sich dadurch zeigen, dass unter entsprechenden Artikeln, wie in anderen Zeitungen auch, ein Hinweis stünde, wie, um ein Beispiel herauszugreifen, im "Spiegel" mit Link zu Beratungsstellen:

             

            "Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber.

            Hier finden Sie - auch anonyme - Hilfsangebote in vermeintlich ausweglosen Lebenslagen.

            Per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch."

             

            Das würde niemandem schaden, aber vielleicht dem einen oder anderen helfen.