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Kommentar Verhältnis Türkei-USADas gegenseitige Misstrauen sitzt tief

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Ein Bruch mit den USA wäre verheerend für die Türken. Aber weder Trump noch Erdoğan sind dafür bekannt, sich selbstkritisch zu hinterfragen.

Skeptische Blicke: Trump (l.) und Erdoğan beim Nato-Gipfel im Juli Foto: reuters

E s scheint, dass mit der türkischen Reaktion auf die US-Sanktionen eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wurde, die bis zum Bruch der seit dem Zweiten Weltkrieg eng alliierten Länder gehen kann. Auch wenn das im Moment niemand will, könnte am Ende sogar ein Ausstieg der Türkei aus der Nato stehen, denn solche Krisen neigen dazu, eine Eigendynamik zu entwickeln, die ab einem bestimmten Punkt nur noch schwer zu stoppen ist.

Die Türkei, also vor allem die normale türkische Bevölkerung, müsste für eine harte Konfrontation mit den USA einen hohen Preis zahlen, denn der Bruch mit der Vormacht des Westens wäre ökonomisch verheerend. Die Türkei ist im Ausland hoch verschuldet, auch viele türkische Großunternehmen haben Dollarschulden bis in den Milliardenbereich angehäuft. Verliert die Lira immer weiter an Wert, sind die kaum noch zu bedienen, vor allem, wenn die USA weitere wirtschaftliche Sanktionen verhängen.

Ob die EU das auffangen kann, ob sie überhaupt bereit wäre, die Türkei in einer zukünftigen schweren Wirtschaftskrise zu unterstützen, ist fraglich, da ja auch das Verhältnis der EU zu Erdoğan nicht ganz unproblematisch ist, um es vorsichtig zu formulieren.

Aber es kann ja auch ganz anders kommen. Vielleicht lädt Trump Erdoğan demnächst zu einem Gipfel unter Männern ein, um die Probleme unter vier Augen aus der Welt zu schaffen. Bei Trump ist ja alles möglich. Und anders als beim nordkoreanischen Diktator Kim, dem russischen Präsidenten Putin oder gar dem iranischen Präsidenten Rohani wäre ein solches Gespräch auch nicht ganz aussichtslos.

Erdoğan möchte die Wirtschaftsbeziehungen ausdrücklich aus dem Konflikt heraushalten und Trump die Türkei als militärischen Partner nicht endgültig verlieren. Doch das gegenseitige Misstrauen sitzt tief. Und weder Trump noch Erdoğan sind dafür bekannt, ihre Politik selbstkritisch zu hinterfragen. Letztlich kann man bestenfalls darauf hoffen, dass die Abwärtsspirale sich etwas langsamer dreht.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

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  • Wer solche Freunde hat wie die Türkei (Nato,westliche Staaten),der braucht keine Feinde mehr.



    Die Terrororganisation PKK und jetzt auch FETO haben ihre Rückzugsorte in den westlichen Ländern,die als Verbündete der Türkei gelten. Besonders Deutschland ist einer der Hauptunterstützer der PKK,das beweist auch der Bericht des Verfassungsschutzes, der besagt,dass nur in Deutschland 14000 PKK Anhänger tätig sind.



    Und das nennt sich dann Verbündete.

  • Die Berichterstattung in Deutschland sowie die Kommentare hier zeigen ganz deutlich, dass man sich vor Erdogan und der Türkei fürchtet.



    Wenn die Türkei die Nato verlassen sollte-meiner Meinung nach sollte die Türkei dies so schnell wie möglich tun- wäre es das Ende der Nato.



    Ob euch das gefällt oder nicht,militärisch ist die Türkei ein Schwergewicht und jedem der sich nur etwas mit Militär auskennt,ist dies bewusst.

  • Erdogan hat die Türkei in einen islamistischen und rassistischen Staat verwandelt. Er stößt der EU vor den Kopf und nun die USA von Erzfeind Russland ganz zu schweigen.

    Die Wirschaft der Türkei geht bergab und die Deutsch-türkischen AKP Wähler feiern Erdogan aus gesicherten Verhältnissen - es ist zum kotz....

  • Wenn die Türkei die NATO verlässt, ist Sie langfristig in einer schlechten Lage. Sie kann sich nämlich nicht an China wenden. China hegt wegen der türkischen Nähe zu den Uiguren tiefes Misstrauen. Und dieses ist keines das sich von einer Partei leicht ausräumen lässt.

  • 1. Erdogan sucht externe Gründe für die wirtschaftlichen Probleme im Land



    2. da stehen sich 2 Alphatiere gegenüber, die beide nur ihr eigenes Wohl im Sinn haben

    Natürlich muss deshalb Erdogan beissen, wo er kann.

  • Erdogan denkt, dass die Türkei eine Großmacht ist, die in einer Reihe mit den USA, China, Russland, Japan und Indien ihren Platz hat.

    Das ist aber nicht die Realität und so wird das hier so enden, wie der Abschuss des russischen Flugzeugs damal zeigte: Erdogan wird am Ende zu Kreuze kriechen und danach wird klar sein, wer der Herr und wer der Knecht ist.

    Die Türkei Erdogans ist eine Illusion - es gibt weder militärische Stärke, wirtschaftliche Macht oder Entwicklung, noch bewegt sich das Land wirklich nach Vorne.

    Tatsächlich verläuft die Entwicklung so banal, wie es immer ist, wenn eine Diktatur erricht wird: Es wird die Illusion vollständiger Macht radiiert und alle Gegner müssen dafür mit Gefängnis, Folter, Tod und extralegen Hinrichtungen bezahlen.

    Wenn Erdogan hier das Spiel ausreizt, könnte sein Ende schnell kommen. Die NATO-Staaten haben wenig Einfluss auf die USA und viele sind sowieso tief verstört durch die Türkei, die eigentlich nur Deutschland als festen Verbündeten hat.

    Hier liegt der eigentliche Trumpf Erdogans: Merkel ist mit CDU/CSU auf ihn angewiesen, dass er die Grenzen dicht hält und möglichst dafür sorgt, dass Syrer sogar in Flüchtlingslagern in ihrem eigenen, komplett kaputten Land untergebracht werden.

    Aber auch hier deutet sich an, dass die Türkei ihre Einflusszonen an die Regierung in Damaskus abgeben muss.

    Erdogan hat noch die Außenpolitik wirklich beherrscht oder gekonnt. Syrien ist das beste Beispiel dafür: Hier unterstützte die Türkei offensiv alle Gruppen, die in westeuropäischen Ländern von den Inlandsgeheimdiensten beobachtet werden und diese Leute haben nie entscheidende Schlachten gewinnen können, sondern mussten stetig zurückweichen.

    Ohne Geld un militärische Unterstützung aus den USA ist die Türkei machtlos. Sie ist sogar auf den atomaren Schutz durch die USA angewiesen, denn sie existiert in einer sehr gefährlichen Gegend.