Kolumne Luft und Liebe: Kampfplatz mit Brüsten
Sorry, Frauen, euer Körper gehört euch nicht. Ob angezogen, ob nackt: Es ist unwahrscheinlich, dass ihr mit ihm das Richtige tut.
E s folgt: ein kleiner Nachrichtenüberblick der letzten Tage. Julia Klöckner will Burkas verbieten. Vollverschleierung steht für „ein abwertendes Frauenbild“, sagt sie. „Burka geht gar nicht“, findet auch Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Dass Frauen sich nur komplett verhüllt im öffentlichen Raum bewegen dürfen, kann ich nicht akzeptieren.“ Wohlgemerkt: „dürfen“. Von „wollen“ kann nicht die Rede sein, das würde die betroffenen Frauen ja als Subjekte outen, und dann wär’s komplizierter.
Kompliziert ist es auch mit der „Pille danach“. Was haben sie sich gesträubt bei der CDU, damit die Pille danach nicht rezeptfrei wird, und jetzt wird sie es doch, der EU sei Dank. Da ärgert sich Jens Smartieboy Spahn und twittert: „Wie wäre eigentlich ne ,Pille anstatt‘ statt einer ,Pille danach‘...? ;-)“ Ja, wie wäre das? Und wie wäre „Denken statt Twittern“ statt „Denken danach oder gar nicht“? ;-)
Weiter im Newsfeed. In Großbritannien gibt es neue Regeln für Pornos, die man per Video on Demand gucken kann. Diese dürfen jetzt bestimmte Sexpraktiken nicht mehr zeigen, unter anderem weibliche Ejakulation. Männliche Ejakulation bleibt erlaubt. Nächste Nachricht: Die ungarische Polizei will Vergewaltigungen verhindern und dreht dafür ein Video, in dem sich junge Frauen in kurzen Röcken betrinken. Die Botschaft am Ende: „Du kannst etwas dafür, du kannst etwas dagegen tun.“
Und sonst so? Madonna zieht sich für das Magazin Interview aus. „Madonna wieder nackt: Muss das sein?“, fragt das Rolling-Stone-Magazin. Nö, weißte was, muss nicht.
Mal so, mal so, Hauptsache falsch
Man kann das alles auch etwas kürzer zusammenfassen: Liebe Frauen, denkt bloß nicht, dass euer Körper euch selbst gehört. Euer Körper ist ein Kampfplatz mit Brüsten. Doch, klar sollt ihr euch hübsch machen. Denn ja, natürlich werdet ihr nach eurem Äußeren bewertet. Ja, natürlich mehr als Männer. Falls ihr eine Burka tragen wollt: bloß nicht! Zeigt mehr Haut! Falls ihr gerade nackt seid: Zieht euch gefälligst was an, ihr Schlampen!
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ihr intuitiv das Richtige tut. Eine meiner Lieblingstitelseiten hatte die InTouch vom letzten März: „Mager-Schock“ heißt es da über Heidi Klum und „Kilo-Frust: Sie wird immer dicker“ über Britney Spears, die ein Eis leckt. Die einen so, die anderen so, Hauptsache, falsch.
In der Öffentlichkeit essen sollt ihr sowieso nicht, jedenfalls nicht in der U-Bahn, sonst posten fremde Menschen von euch Fotos in der Facebookgruppe „Women who eat on tubes“ und 32.600 Leute lachen euch aus.
Diese Woche gab es wieder eine der berühmten „Victoria’s Secret“-Shows in London: Die besten Models der Welt präsentieren mit Engelsflügeln neue BHs und Schlüpper, und jedes Jahr träumen Tausende Mädchen davon, das auch zu dürfen. Scheiße, Mädels, hört auf zu warten. Sägt euch mit der Kettensäge Flügel aus Spanplatten oder schneidert euch welche aus leeren Pommespackungen und macht die ganze beschissene Welt zu eurem Laufsteg, denn für die allermeisten von euch wird Heidi nie ein Foto haben, und das ist etwas, worüber ihr echt froh sein könnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“