zahl der woche: Das erste Naturschutzgesetz kam von den Nazis
Viele hatten sehnlichst darauf gewartet
Was ist von dem Naturschutz der Nazis zwischen 1933 und 1945 zu halten – hat er der Natur genützt? So die Frage des Fachkongresses „Naturschutz und Nationalsozialismus“, den die Stiftung Naturschutzgeschichte (Königswinter) und die geschichtswissenschaftliche Fakultät der Universität Bielefeld am Donnerstag und Freitag in Berlin ausrichtete. Und: Stellt diese Vergangenheit „eine Erblast für den Naturschutz im demokratischen Rechtsstaat“ dar, wie der Untertitel der Tagung fragte?
Dazu muss man wissen, dass die Nazis – zumindest in den ersten Jahren ihres Regimes und wenigstens formal – einiges für den Naturschutz taten: Im Zuge der Zerschlagung der alten Länder und der Zentralisierung zum Führerstaat schufen sie erstmals ein reichsweit geltendes Gesetzeswerk zum Schutz der Flora und Fauna. Dazu gehörte das Reichstierschutzgesetz, das Gesetz gegen Waldverwüstung und das Reichsjagdgesetz – vor allem aber das Reichsnaturschutzgesetz aus dem Jahr 1935, das die damaligen Naturfreunde lange ersehnt hatten. Es war, mit wenigen Änderungen, in der Bundesrepublik bis 1976 in Kraft. Die rot-grüne Bundesregierung wiederum hat das 76er-Gesetz erst diesen Februar novelliert.
Die Natur und ihr Schutz besaßen in der Ideologie der Nazis durchaus einen hohen, vor allem emotionalen Stellenwert – so sehr, dass den menschenverachtenden „SS-Männern der oberen Ränge die Augen leuchteten und die Stimme brach, wenn sie an ein Leben auf dem Lande dachten“, wie der Historiker David Schoenbaum notiert hat. Andererseits war Minister und Reichsjagdführer Hermann Göring vor allem an einer schnellen Gesetzgebung zum Naturschutz interessiert, weil er sich auf diesem Wege seine ausgedehnten Jagdgebiete sichern konnte. Die Natur wurde als „Teil des totalen Staates“ begriffen, wie der Hannoveraner Pflanzenökologe Hansjörg Küster es ausdrückte.
Fast erstaunt es da, dass nach bisherigem Forschungsstand kein Naturschützer unmittelbar an Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt war. Gleichwohl spricht der Bielefelder Historiker Joachim Radkau etwa bei den einflussreichen Landschaftsplanern von einer „eindeutigen Kumpanei mit den NS-Verbrechen“, denn deren Pläne für die eroberten Länder im Osten sahen eine Vertreibung der ansässigen Bevölkerung vor. Nach Ansicht von Gesine Gerhard von der kalifornischen University of the Pacific war es Reichslandwirtschaftsminister Richard Walther Darré und die von ihm geprägte Rassenideologie eines „Zuchtziels“ für das deutsche Volk, die bis zum Kriegsende die Eroberungs- und Siedlungspolitik im Osten rechtfertigte.
Schließlich: Auch für die Natur selbst war das NS-Gesetzeswerk am Ende schädlich, wie Edeltraud Klueting vom Westfälischen Heimatbund auf der Tagung betonte: Der NS-Staat habe keinen „konsequenten Natur- und Umweltschutz“ betrieben. Vielmehr habe er durch den Flächenverbrauch für Zwecke von Wehrmacht, Straßenbau, Siedlungen und Kriegswirtschaft vor allem Naturlandschaften zerstört. PHILIPP GESSLER
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