zahl der woche: 915: Tabakindustrie auf dem Rückzug
RAUCHZEICHEN WERDEN BLASSER
Die Tabakindustrie hat ein echtes Problem: Inzwischen macht sogar Hollywood Filme darüber, wie fies und skupellos die Zigarettenhersteller sind. In dem Streifen „Insider“ will ein Manager der Tabakindustrie darüber auspacken, wie seine Bosse die ahnungslosen Verbraucher zu Nikotinsüchtigen machen. Die Tabak-Dunkelmänner versuchen diese Enthüllungen natürlich mit aller Macht zu verhindern.
In der Tat bläst den Zigarettendrehern der Rauch ins Gesicht. Den Film kann man unter schlechter PR verbuchen; die Milliardensummen, die die Tabakindustrie nach zahlreichen Urteilen für die Behandlung von erkrankten Rauchern zahlen muss, versucht sie über Preiserhöhungen wieder hereinzuholen. Doch ein anderer Trend lehrt die Tabakindustrie wirklich das Fürchten: Die Menschen rauchen einfach weniger.
Die Zahl der ver(b)rauchten Zigaretten geht stetig zurück: Nach einer Studie des Washingtoner World Watch Institutes rauchte statistisch jeder Erdbewohner 1999 „nur noch“ 915 Zigaretten. Das sind zwar immer noch drei Glimmstengel am Tag vom Baby bis zur Uroma, aber immerhin 11 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. In den USA ist der Kosum in den letzten zwanzig Jahren um 42 Prozent eingebrochen.
Grund dafür ist neben steigenden Preisen und Steuern auf die Rauchwaren vor allem die Erkenntnis, wie gesundheitsschädlich und damit teuer der Qualm für die Lungen ist. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr an den 25 bekannten rauchbedingten Krankheiten (Herz- oder Lungenerkrankungen und verschiedenen Arten von Krebs) vier Millionen Menschen. Allein in China entsprechen die 2000 täglichen Qualmtoten „fünf Jumbo-Jets, die jeden Tag ohne Überlebende abstürzen“, schreibt das World Watch Institute.
Nun setzten die Tabakkonzerne auf den riesigen Markt in der Dritten Welt. Doch offensichtlich haben sie die Macht der Imagekampagnen unterschätzt, die von den USA aus über den Globus getragen werden. Inzwischen verklagen auch Entwicklungsländer die Tabakindustrie vor amerikanischen Gerichten. Die WHO versucht in einer weltweiten Kampagne, den Menschen das Rauchen abzugewöhnen, und will in einer internationalen Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle den Verbrauch von Tabak begrenzen.
Den größten Abschreckungserfolg haben die Kampagnen offensichtlich bei jungen Männern, wenn sie das Problem Impotenz ansprechen. Ganz im Gegensatz zur Werbung, die Rauchen als sexy propagiert, warnen Wissenschaftler, dass die Blockade von kleinen Blutgefäßen durch das Nikotin sich nicht zuerst in der Lunge oder am Herzen zeigt, sondern eine Erektion verhindert. Das wirkt offenbar: „Junge Männer“, so die Studie, „kümmern sich nicht besonders um ihr Todesrisiko, sind aber um ihre Sexualität besorgt.“
BERNHARD PÖTTER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen