zahl der woche: 4,05: Rot-Grün subventioniert die Autofahrer
Wahrer Benzinpreis: 4,05 Mark
Das letzte Tabu in Deutschland ist und bleibt der Benzinpreis. Weil die Tankstellen in den vergangenen Wochen wieder eine große „2“ an ihre Schilder klebten, rasten die Raser aus: Die „Ölscheichs von Berlin“ zockten das Volk ab, die Ökosteuer solle gekippt, Benzingutscheine an die Armen verteilt und Jürgen Trittin mit dem Benzinschlauch erdrosselt werden.
Das ist Unsinn, der auch durch dauernde Wiederholung nicht wahrer wird. Das Schmiermittel für die mobile Gesellschaft ist und bleibt heftig subventioniert und viel zu billig. 4,05 Mark müsste der Liter bleifreies Normalbenzin kosten, wenn die so genannten externen Kosten für den Straßenverkehr berücksichtigt würden. Das hat die Universität Karlsruhe mit dem Schweizer Infras-Institut errechnet. In einem Gutachten haben die Wissenschaftler die Unfall-, Umwelt- und Staukosten in den Ländern Westeuropas berechnet. Das Ergebnis: In Deutschland verursacht das Auto jährlich Schäden von etwa 160 Milliarden Mark - trauriger Rekord in Europa. Pro Kilometer entstehen externe Kosten von etwa 20 Pfennig, für deren Beseitigung die Allgemeinheit aufzukommen hat. Wenn die viel gepriesene Marktwirtschaft funktinieren würde, müssten sich diese Kosten an den Zapfsäulen niederschlagen. Denn Preise, so das Credo des Kapitalismus, müssen die Wahrheit sagen.
Um dieser Wahrheitssuche auf die Sprünge zu helfen, hat das Umweltbundesamt die Zahlen des Gutachtens auf den durchschnittlichen Spritverbrauch eines Pkw in Deutschland umgerechnet: Wollte der Staat die Kosten, die durch den Autoverkehr entstehen, an die Verursacher, nämlich die Autofahrer, weitergeben, müsste er pro Liter Benzin eine Steuer von 2,76 Mark erheben. So zeigt sich Rot-Grün als wahrer Freund und Förderer des Autos: Denn die Steuern auf Benzin liegen derzeit mit 1,37 Mark nur halb so hoch, wie sie eigentlich sein müssten.
Autokanzler Schröder hat also trotz Ökosteuer und grünem Koalitionspartner immer noch ein großes Herz für alle, die ihre Blechkiste lieben. Immerhin subventionieren die öffentlichen Kassen jeden Liter Benzin mit etwa 1,40 Mark.
BERNHARD PÖTTER
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