zahl der woche: 13 Millionen: Da braut sich was zusammen
„O’zapft“: Größter Bierkonzern
„Wüstenhitze“ lag diese Woche über Deutschland, das Land stöhnte über neue Hitzerekorde. Bei dem Wetter müssten eigentlich Eisverkäufer, Schwimmbadbesitzer und Bierbrauer reich werden, denkt man. Doch zumindest für die Brauer stimmt die Rechnung nicht.
Denn die deutsche Brauindustrie sitzt auf dem Trockenen: Die Menschen trinken weniger Bier, es wird zu viel produziert, und zwei von drei deutschen Brauereien werden mittelfristig ihren Zapfhahn zudrehen müssen, rechnen Branchenkenner. Diese Woche nun traten der Dortmunder Brau-und-Brunnen-Konzern und die Münchner BrauHolding AG die Flucht nach vorn an und verkündeten ihre Fusionspläne. Wenn die Eigentümer zustimmen, wird Anfang nächsten Jahres damit der größte deutsche Braukonzern mit einem Bierabsatz von 13 Millionen Hektoliter aus der Taufe gehoben.
Das große Schlucken geht also weiter. Bereits Anfang des Jahres hatte die Hamburger Holsten-Brauerei (Holsten, Feldschlösschen) die traditionsreiche Duisburger Familienbrauerei König (König Pilsener, Kelts) übernommen und sich an die Spitze der deutschen Bierkonzerne gesetzt. Sie werden nun überflügelt von den neuen Partnern BrauHolding (Paulaner, Hacker-Pschorr, Thurn und Taxis und Kulmbacher) und Brau und Brunnen (Jever, Schultheiss, Dortmunder Union, Schlösser Alt).
Brau und Brunnen gilt schon länger als Übernahmekandidat, weil der Konzern Verluste macht, zuletzt in Höhe von 86 Millionen Mark. Der Konzern hat sich mit Immobilien in Ostdeutschland verspekuliert. Gegen den ehemaligen Vorstandschef Friedrich Ebeling läuft deshalb eine Klage wegen „pflichtwidrigem Verhalten“.
Doch mehr als schlechtes Managment drücken die Brauer die Sorgen um den Absatz. Die Deutschen trinken einfach weniger Bier: Von 148 Litern pro Jahr 1975 ist der Durst auf 123 Liter im letzten Jahr zurückgegangen. Bei Brau und Brunnen gilt Bier als das „Sorgenkind“ – alkoholfreie Drinks wie Appolinaris, Schweppes oder Vita Cola laufen wesentlich besser die Kehlen der Kunden herunter. Am Fassbier verdienen die Brauer noch, aber beim Flaschen- und Dosenbier, das drei Viertel des Umsatzes ausmacht, drücken die großen Handelsketten massiv die Preise. Nur mit Markenbieren lässt sich noch Geld machen, die „Konsumbiere“ für den Massenabsatz bringen kaum Gewinn.
Analysten rechnen damit, dass sich nur ein paar ganz große und viele ganz kleine Bierbrauer über Wasser halten werden: Die einen wegen ihrer Größe, die anderen wegen ihres extrem kleinen Verbreitungsgebiets, das ihnen praktisch die Kosten für Werbung und Vertrieb erspart. Doch auch der neue Dortmund/Münchner Braugigant ist im internationalen Vergleich ein armer Schlucker: Der Weltmarktführer Anheuser Bush produziert mit 114 Millionen Hektolitern so viel Gerstensaft wie alle 1238 deutschen Brauereien zusammen.
BERNHARD PÖTTER
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