„wie retten sie die welt?“ heute: die filmemacherin nives konik: „Filme sind mein Beitrag an die Welt“
Auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni besprechen die Mächtigen der Welt, wie es mit unserem Erdball weitergehen soll. Antworten – das ist schon klar – werden sie keine finden. Sie brauchen Nachhilfe. „Wie retten Sie die Welt?“, fragt die taz deswegen jeden Tag Menschen aus Berlin.
Die Frage, wie ich die Welt rette, ist mir zu bombastisch. Sie scheint mir nicht ernst gemeint und ist es gleichzeitig doch. Ich fahre am 2. Juni jedenfalls nach Heiligendamm. Nicht weil ich die Welt retten kann, sondern weil ich als eine unter vielen da stehen will. Mit meiner Anwesenheit drücke ich meine Kritik am G-8-Gipfel aus. Denn ich bin nicht damit einverstanden, dass sich acht Leute ohne jede Legitimation anmaßen, Richtungen vorzugeben, was auf unserer Welt wie verteilt wird.
Außerdem kamen die Durchsuchungen vor dem G-8-Gipfels dazu. Da sind Leute aus unserem Kiez betroffen. Unter einem Vorwand stürmt die Polizei deren Wohnung, beschlagnahmt mal eben ihre Computer. Das gab den letzten Ausschlag, zu fahren. Ich möchte, dass es ein Recht auf Meinungsfreiheit gibt und dass nicht jeder jederzeit ausspioniert werden darf. Solche Einschüchterungen nehme ich ernst.
Ich beschäftige mich in den Filmen, die ich mit meinem Mann Marc mache, ja auch mit all den Themen, wo man in unserer Demokratie an Grenzen stößt: Redefreiheit, Chancengleichheit, staatliche Gewalt. Dazu haben wir Langzeitstudien etwa anhand von Demonstrationen gemacht und Filme über Migration, über soziale Missstände.
Es sind politische Dokumentarfilme. Wir nennen sie auch so, obwohl man uns immer sagt, das mache sie unverkäuflich. Aber ich will, dass man anhand dieser Filme etwas neu, kritisch oder aus anderer Perspektive sieht. Wenn man Menschen die nötige Information gibt, sind sie wohl in der Lage, Sachen differenziert zu beurteilen. Meist kriegt man aber nur Schlagzeilen ohne Hintergründe. Und schnelle Bilder. Vor allem im Fernsehen.
Heute scheinen sozial engagierte Filme aus der Mode gekommen. Aber was spricht dagegen? Unser neues Projekt ist ein Episodenfilm. Wir haben mit Jugendlichen gearbeitet, mit denen keiner mehr was zu tun haben will. Eigentlich sind sie die Regisseure und Kameraleute. Wir haben sie bemächtigt, die Rolle zu tauschen. Plötzlich sehen sie sich gespiegelt: Wie bin ich? Was möchte ich den Menschen sagen? Eine Episode beschäftigt sich mit Sozialarbeit in Kreuzberg. Gemacht wurde sie von einer jungen Frau, die Sozialarbeit an sich 20 Jahre lang erlebt hat. Eine andere Episode zeigt Jugendliche, die sehen, dass sich doch etwas ändert, wenn man selbst aktiv wird. „Shootback“ heißt der Film. Soll heißen: Wir filmen zurück. Es hat uns geärgert, dass Presseleute nach Kreuzberg kamen, Jugendliche filmten, eine Opfer- und Gewaltstory daraus machten, ohne darüber nachzudenken, was das für die Jugendlichen hier bedeutet.
Unsere Filme sind mein Beitrag an die Welt. Ob ich sie damit rette, steht dahin.“
PROTOKOLL: WALTRAUD SCHWAB
Nives Konik, 35, Filmemacherin, die Geld mit Filmuntertitelung verdient. Ihre Eltern kamen 1969 als Gastarbeiter aus Kroatien nach Deutschland. „Shootback Heimat Kreuzberg“ hat am 31. 5. um 19.30 Uhr im SO36 Premiere. www.vitri-film.de
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