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wie machen sie das?Die Aufklärerin

Sophie Große-Wöhrmann, 24, gibt freiberuflich sexual­pädagogische Workshops, meist für Schulklassen mit 13- bis 17-Jährigen.

taz am wochenende: Für Jugendliche ist das Thema Sex in erster Linie furchtbar peinlich. Mit Ihnen reden sie trotzdem darüber. Wie machen Sie das?

Sophie Große-Wöhrmann: Sex darf ruhig albern sein. Neulich hat jemand einen Witz erzählt: „Mein Penis wurde verhaftet. Er hat gestanden.“ Was erst Lacher brachte, wurde zum Aufhänger für ein ernsthaftes Gespräch über die Sorge, ob der eigene Körper „normal“ ist und ob man die Freundin genug befriedigen kann.

Womit beginnt ein sexual­pädagogischer Workshop?

Zuerst sammeln wir Begriffe, die uns zu Sex einfallen. Da kommt alles zusammen, was die Jugendlichen mal in Pornos oder Gesprächen aufgeschnappt haben. Dann sollen sie die Begriffe erklären – das ist erst mal unangenehm, baut aber Hemmschwellen ab.

Was beschäftigt die Jugendlichen besonders?

Die meisten wollen wissen: Was muss ich tun, um gut gefunden zu werden – von dem Mädchen, das ich süß finde, oder von den anderen in meiner Klasse? Die Mädchen dürfen den Jungs im Workshop anonyme Fragen stellen und andersherum. Da wird gefragt: Was ist euch wichtiger – Aussehen oder Charakter? Masturbiert ihr und wie oft? Schaut ihr Pornos oder habt ihr Angst, dass eure Eltern euch erwischen?

Antworten Mädchen anders als Jungs?

Viele Jungs geben bei der Frage nach Selbstbefriedigung an: „Ja klar, dreimal täglich!“ – anstatt auch darüber zu sprechen, wie es ist, keine Lust oder keine Erfahrung damit zu haben. Mädchen sind ehrlicher: Von „igitt, niemals“ bis zu „ständig und mit vielen Pornos“ ist alles dabei. Ich versuche deutlich zu machen, dass das alles total in Ordnung ist.

Was machen Sie, wenn Ihnen Intoleranz oder Rollenklischees begegnen?

Oft beleidigt jemand mit „schwul“ oder „Schwuchtel“. Ich frage dann, was eigentlich damit gemeint ist. Wir schauen uns an, wie widersprüchlich die Rollenerwartungen sind: Ein Junge soll immer cool und stark sein, für seine Freundin aber auch sensibel – dann wiederum wird er allerdings schwul genannt. Ich zeige gern, dass auch nicht alle Vorbilder der Jugendlichen ihren Erwartungen an starke, heterosexuelle Männer entsprechen.

Was sind die heutigen Vorbilder?

Oft YouTuber, Instagramer oder Sportler. Meist ist jemand dabei, wo sie selber merken: Ach, stimmt, den finde ich toll, und der steht auf Männer. Bei den älteren zum Beispiel oft der Fußballer Thomas Hitzlsperger. Oder sie haben eine Tante, die glücklich ohne Kinder ist, oder ein Geschwisterkind, das lieber ein Mädchen als ein Junge ist.

Interview: Jolinde Hüchtker

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