wahl als qual: Ein rechter Zeitpunkt
Die Neuwahl der Hamburger Bezirksversammlungen sollte im Sommer 2009 am Tag der turnusmäßigen Europawahl stattfinden. Diesen Vorschlag begründet ein Gutachten, das der frühere Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling im Auftrag der GAL-Fraktion erarbeitet hat. Zugleich sieht Kühling die Notwendigkeit, dass die Hamburger Bürgerschaft eine gesetzliche „Übergangsregelung“ verabschiedet. Denn „die Rechtslage“, so der Gutachter gestern bei der Vorstellung seiner Expertise, „ist unerfreulich“. Das aber ist noch verhalten formuliert – sie ist schlicht unübersichtlich.
Zuletzt wurden die Bezirksversammlungen bei der vorgezogenen Hamburg-Wahl am 29. Februar 2004 gewählt – für vier Jahre, also bis Anfang 2008. Im Juni 2004 aber wurde per Volksentscheid das Hamburger Wahlrecht geändert: Bezirkswahlen sollen künftig alle fünf Jahre zusammen mit den Europawahlen durchgeführt werden – also im Sommer 2009. Der Volksentscheid der Initiative „Mehr Demokratie“ – der lange vor den Neuwahlen formuliert wurde und juristisch nicht mehr geändert werden durfte – ging aber noch von regulären Bürgerschafts- und Bezirkswahlen im September 2005 aus mit einer letztmals knapp vierjährigen Legislaturperiode der Kommunalparlamente bis Sommer 2009. Nun also besteht eine Regelungslücke von gut einem Jahr: März 2008 oder Juni 2009? Letzteres, sagt Kühling nun. Die Alternative, binnen 15 Monaten zwei mal zu wählen, sei „rechtlich unproblematisch“, politisch aber „fragwürdig“.
Gar als „politische Farce“ betrachtet das GAL-Verfassungspolitiker Farid Müller, seine Fraktionschefin Christa Goetsch hält den Kühling-Vorschlag für „die sauberste und beste Lösung“. Auch „Mehr Demokratie“ stimmt zu: Das sei „vernünftig“, findet Sprecher Manfred Brandt. SPD-Innenexperte Andreas Dressel will das Gutachten jetzt „gründlich und wohlwollend prüfen“. Die „Rechtsunsicherheit“ bestehe, sagt Dressel, jetzt gelte es einen verfassungsrechtlich überzeugenden Ausweg zu finden. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert hält Kühlings Vorschlag hingegen für „nicht praktikabel“. Er wolle die Terminfrage zusammen mit der Gesetzesvorlage zur Bezirksverwaltungsreform in Herbst klären. SMV
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