robustes mandat auf der straße:
von WIGLAF DROSTE
Im militärisch verbündeten Ausland haben die Deutschen keinen guten Ruf. Sie gelten als blutrünstig, als germanisch düster – und gleichzeitig als unzuverlässig und feige. Wenn US-amerikanische und britische Militärs für westliche Weltordnung sorgen, möchten sie die Deutschen nur als Hilfstruppen dabei haben: Deutsche Politiker sollen dafür sorgen, dass der Kriegseinsatz von ihrer Bevölkerung als ein humanitärer und notwendiger akzeptiert wird. Im Jugoslawienkrieg gelang das vor allem Joseph Fischer und Rudolf Scharping ganz ausgezeichnet, und sie wurden von Nato-Sprecher Jamie Shea nachdrücklich dafür getätschelt.
Auch im Afghanistankrieg funktionierte es: Gerhard Schröders „uneingeschränkte Solidarität“, dieses dummstolz-angeberische Aufgeben jedes kritischen Restpotentials, wurde durchgesetzt, Kritiker wurden zur Räson gebracht oder marginalisiert. Doch all die Anstrengungen und Absichtserklärungen wollen nicht richtig fruchten: Bei den erwachsenen Verbündeten sind deutsche Truppen noch immer nicht als gleichwertig akzeptiert; man sieht sie ungefähr so gern wie „Kamerad Schnürschuh“, die Österreichversion des deutschen Landsers.
Dabei wäre es so leicht für die Landsleute, sich als fähige Krieger zu empfehlen. Sie bräuchten nur darauf hinzuweisen, wie kompetent sie einander im Straßenverkehr umzubringen wissen: Knapp 20-mal am Tag tötet ein Deutscher einen anderen mit seiner Lieblingswaffe, dem Auto. 7.000 Verkehrstote in einem Jahr können sich sehen lassen als Beweis der Kriegsfähigkeit und der Bereitschaft zum Blutverguss. Bisher haben die Deutschen nur den Fehler gemacht, die falschen Truppen anzubieten. Mag das Ausland der Bundeswehr auch nichts zutrauen – auf den deutschen Autofahrer ist Verlass, der ist im Felde unbesiegt. Und dass die deutschen Statistiker frohlocken, „nur 7.000 Verkehrstote“ im vergangenen Jahr bedeuteten einen Rückgang um zehn Prozent, können Schröder, Fischer und Scharping bei ihren nächsten Truppenandienungsversuchen ja unter den Tisch fallen lassen.
Der pazifistisch sich schminkende Patriotismus, der nichts dagegen hat, dass andere ihr Leben lassen, solange nur kein deutsches Blut vergossen wird, ist so abstoßend wie jeder Patriotismus. Man kann aus guten humanistischen Gründen jeden Krieg für unnütz und Krieg führende Politiker für diplomatische Versager halten. Die chauvinistische Idee, nur Deutsche seien zu gut und zu edel zum Sterben, hat damit nichts zu tun.
Selbstverständlich sollen deutsche Soldaten in den Krieg geschickt werden – dazu sind sie schließlich da. Zur Zeit hätten sie Gelegenheit, rückständigen afghanischen Menschen zu zeigen, was mit dem Krieg gegen das Land, in dem sie leben, verteidigt wurde: die westliche Zivilisation. Und die beinhaltet ausdrücklich das Recht, sich massenhaft umzubringen, solange man dazu nur ein Automobil benutzt. 7.000 mal im vergangenen Jahr in Deutschland. Das haben deutsche Soldaten schon lange nicht mehr geschafft. Sind halt doch Flaschen, da haben die Amerikaner und die Briten recht.
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