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meister propper aus deutschland

von WIGLAF DROSTE

Wenn Joseph Fischer redet, laufen die Lügendetektoren heiß. Am Aschermittwoch gab der Populist mit grünem Ticket den zerquälten, händeringenden, beinahe schon weizsäckernden Verantwortungsethiker, der sich plagt mit Krieg und Frieden und der nur Edles im Schilde führt: „Frauenrechte, Menschenrechte – dafür stehe ich!“, rief der Außenminister emphatisch. Sein Publikum applaudierte gerührt und weigerte sich, Fischer ins Deutsche zu übersetzen. Frauenrechte sind etwas anderes als Menschenrechte, hatte Fischer gesagt, und das solle mit ihm auch so bleiben. Schon lustig, was die Grünen alles beklatschen, seitdem sie tot sind. Wenn der routinierte Krieg-muss-leider-leider-sein-Demagoge Joseph Fischer formuliert wie ein Volkstribun im Endstadium, nennt man ihn in Deutschland einen brillanten Rhetoriker. Gemessen an seinen Wählern und seinen journalistischen Anhängern ist er das sogar.

Eine andere deutsche Lichtgestalt lief ein paar Stunden später zu ähnlich großer Form auf. Tormann Oliver Kahn, erstmals mit der Spielführerbinde der Fußball-Nationalmannschaft am Oberarm, donnerte beim Länderspiel Deutschland–Israel seine Befehle so laut über den Kaiserslauterner Betzenberg, dass noch hunderte Kilometer entfernt die Volksempfänger klirrten. Der Sendbote aus dem psychischen Grenzbereich kommentierte seine Entwicklung zum Eigentorwart angemessen: „Wir haben auch in der ersten Halbzeit gut gespielt, aber wenn man hinten sein Ding nicht reinmacht … ääh … vorne …“ Treffer, versenkt, danke sehr.

Glänzender noch agierte Johannes Baptist Kerner. Auf der Eistanzbahn der freien Rede erzielte der Tränen- und Tratschbeauftragte des Boulevards schöne Ergebnisse. Weil er sich so schweißtreibend demonstrativ um diplomatische Rhetorik mühte, holte ihn der deutsche Sumpf recht zügig ein. Vom ersten Spiel der israelischen Mannschaft „auf deutschem Boden“ seit dem Ende der „deutschen Schreckensherrschaft“ gargelte Kerner, und je mehr er ganz locker-souverän drüberweg plaudern wollte, desto tiefer verstrickte er sich in alles, das zu verdrängen er angetreten war – um am Ende die deutschen Fußballer umnachtet zu loben als „gemeinsame Täter im besten Sinne“. Klemm, drucks, rumms, da war die ganze große Anstrengung für die Katz, und die Deutschen standen wieder mal da als „Täter“ – wenn auch, was immer das bedeuten möge, „im besten Sinne“.

Schadet aber alles nicht. Wer bei sich selbst und seinen Landsleuten erst mal hoch im Kurs steht, der kann sich folgenlos um Kopf und Kragen faseln: Fischer, Feldherr im dritten Lehrjahr, für den der Titel, den er einst dem Bundestagspräsidenten Richard Stücklen verlieh, längst viel zu freundlich wäre; Kahn, ein Hochleistungspsychopath, der Ball und Gegner beißt; Kerner, ein semmelköpfiger Harmlostuer, Stimmgabel wie Sprachrohr seiner Klientel – und insgesamt doch eine Idee, einen Tick ragender als Fischer und Kahn. Johannes B. Kerner ist ein Meister Propper aus Deutschland. Im besten Sinne, versteht sich.

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