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village voiceKünstler Treus “My Sketchbook of Whack“

Ambivalenz, verdammte

Dauerfisch sind, wie die Website des Elektronik-Duos verkündet, nur mehr „dead fish“. Die Trennung kam zustande wegen „absurder, sinnloser, snobistischer Egomanie und unglaublicher, atemberaubender Dämlichkeit“. Achim Treu alias Künstler Treu ist zu „peinlich berührt“, um genaueres darüber zu berichten, wie er sich nach anderthalb Jahrzehnten mit Andre Abshagen entzweit hat.

Tapfer macht aber er nun weiter unter seinem Pseudonym. Nach einer Vinylveröffentlichung in diesem Jahr erscheint jetzt das erste Lebenszeichen auf CD: „My Sketchbook of Whack“. Tatsächlich hat dieses Album die im Titel schon eingebaute Rückversicherung bitter nötig. Finden sich auf „Sketchbook“ doch haufenweise whacke, also uncoole Sounds, die allerdings gerade deshalb natürlich wieder schwer cool sind. Denn: Mit welchem Jahrzehnt möchte man denn wirklich nie wieder was zu tun haben, welches Jahrzehnt ist heutzutage denn noch wirklich unten durch? Die Eighties, die vor allem hier gnadenlos durchexerziert werden, auf jeden Fall gerade nicht.

Trotzdem: Im Vergleich zu fischigeren Zeiten hat sich musikalisch allerhand geändert. Die Grundlage ist zwar immer noch elektronisch, aber Treu liefert eher eine Ambient-Variante des Dauerfisch-Pops ab. Die Tempi sind niemals hektisch, sondern stets mittelschnell bis gemütlich, die Stimmung meist entspannt wie in einem guten Dub, allerdings entschieden düsterer als früher, als Künstler Treu im Duo ja durchaus zu leicht kindischer Fröhlichkeit neigte. Auch textlich treibt er alte Traditionen der 1985 gegründeten Dauerfisch weiter voran: Der Gesang verschwindet zunehmend. Treu setzt Stimme in den meisten Songs fast nur mehr als Signal und Klangfarbe ein.

Statt dessen wird das entspannt elektronisch blubbernde Gerüst fröhlich eklektizistisch erweitert: Hörspielartige Collagen, nette kleine Melodien und Zitat-Pop, alles aus den Achtzigerjahren, Cocktail-Süßholz wie aus den frühen Neunzigern, absichtlich billig klingende Sound-Effekte und der herrische Propaganda-Ton von vor dem zweiten Weltkrieg, Easy-Listening-Geklingel und seltsam hölzerne Musical-Melodien, flotte Garagenrock-Gitarrenriffs und sogar – Achtung, ducken!: Schweinegitarren-Soli aus dem Teil der Siebziger, den bislang zum Glück noch kein Revival ausgegraben hat – zumindest nicht erfolgreich.

Das Ergebnis klingt immer unentschieden, mitunter glamourös, dann wieder sehr nüchtern. Spätestens in den Momenten, in denen die DAT-Kultur aber den gitarrenrockenden Bühnenschweiß entdeckt, werden die Brüche offenbar. Das ist dann nicht immer schön, sondern oft eher wie eine Obduktion. Manchmal klingt es auch ganz schön altmodisch, um nicht zu sagen konservativ. Oder ja vielleicht gerade nicht. Kommt wohl auf den Standpunkt an. Wenn man sich aber nicht vollständig der postmodernen Beliebigkeit ergeben will, muss man Grenzen ziehen. Das kann man an dieser Stelle tun.

Man könnte aber auch den Einfallsreichtum von Künstler Treu loben. Sich freuen an nie gehörten, ja bislang ungedachten Stilkombinationen. Wenn schon nicht der Revolution, dann wenigstens einem lustigen kleinen Zwergenaufstand beiwohnen. Das wäre ja auch irgendwie mal wieder schön. Ach, verdammte Ambivalenz! THOMAS WINKLER

Künstler Treu: „My Sketchbook of Whack“ (Eleganz/Neuton)

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