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village voiceNach 11 Jahren ist vielleicht doch definitiv die Zeit gekommen: Mit der Compilation „True Spirit“ feiert der Tresor sich wieder einmal selbst

Das gute Gewissen aber stirbt nie

Tresor ist Label, Club, Marke, Kult; Synonym für Berliner Techno, Synonym für Techno überhaupt, und inzwischen elf Jahre alt. Als Techno noch eine radikal neue Jugendbewegung war, Anfang der Neunziger, gipfelten Selbsterfahrungsberichte, die sich mit dem neuen Phänomen auseinander setzten, gerne im Besuch des Tresors, wo der Technoclub-Mythos vom schummrigen Bunker, in dem nackte Oberkörper im Stroboskopgewitter zucken, zu sich selbst kam.

Als Techno zu altern begann, musste sich auch der Tresor einem Überlebenskampf stellen. Der Schuppen ist inzwischen ein begehrtes Spekulationsobjekt in der Nähe des Potsdamer Platzes. Somit wurden in den letzten Jahren die Geburtstage des Tresors stets von Durchhalteparolen begleitet. Rettet den Tresor, das gute Gewissen des Techno, das Herz des Berliner Undergrounds! So hieß es immer wieder, und so wurde er immer wieder gerettet.

Doch just in dem Moment, in dem Berlin den Blues hat und die aufregende Zeit zu Ende zu sein scheint, ist auch der Leuchtturm der Berliner Clublandschaft endgültig angezählt worden. Ende des Jahres soll definitiv – und wirklich definitiv, definitiv, definitiv! – Schluss sein. Da könnte die als Jubel-Box gedachte Dreifach-CD-Compilation „True Spirit“ schnell zum Requiem werden. Sie hat ein kompaktes 47-seitiges Booklet, das wie ein kleines Geschichtsbüchlein wirkt, in dem auch Dimitri Hegemann, Spiritus Rector des Techno-Unternehmens, Anekdoten zum Tresor zum Besten gibt. Die wurden immer „in Eile geschrieben“. Wahrscheinlich musste Hegemann seine Post-Tresor-Projekte voranbringen. Er träumt bekanntlich von einem Tresor-Tower und multidimensionalen Clubprojekt, das für alle Altersstufen und Geschmäcker etwas bieten und in dem sich David Bowie genauso wie der Raver aus der Vorstadt wohl fühlen soll.

Was aber den Tresor-Techno zum Synonym für klassischen, kompromisslosen Techno werden ließ, ist auf „True Spirit“ drauf. Da wären einmal die Tracks der Detroit-Allianz um Jeff Mills, Juan Atkins und Robert Hood, die Tresor Anfang der Neunziger geknüpft hatte, als sich in deren Heimatstadt niemand für den radikal neuen Sound kümmern wollte.

Die bahnbrechende Wirkung erkannt zu haben, die die Detroiter Mischung aus Militanz (Underground Resistance), Soul (Eddie Flashin’ Fowlkes) und Underground-Ethos für die weitere Entwicklung von Techno auch in Deutschland hatte, ist bis heute das wahre Verdienst von Tresor als Label.

Auch die englische Hardcore-Techno-Szene, besonders der Zusammenschluss von Neil Landstrumm, Tobias Schmidt und Cristian Vogel, wurde in England als absolutes Exoten-Phänomen wahrgenommen. Sie konnte sich erst via Tresor zumindest in Kontinental-Europa verbreiten. Bei Tresor fand sie eine Heimat, nicht zuletzt wegen ihrer Nähe zur kompromisslosen Detroit-Ästhetik. Auch wenn Cristian Vogel, seit er mit Super Collider lieber Soul und Funk dekonstruiert, mit Techno heute nichts mehr zu tun haben möchte, sind seine und die Tracks seiner Kollegen doch Zeugnisse einer Techno-Euphorie, deren Radikalität beim Wiederhören immer noch zu spüren ist.

Techno, so wird auf „True Spirit“ deutlich, ist ein Kapitel, das noch nicht zu Ende geschrieben ist. Doch spätestens Ende des Jahres, wenn der Tresor schließt, ist „True Spirit“ mindestens schon ein unverzichtbares Dokument der Popgeschichte.

ANDREAS HARTMANN

Diverse: „True Spirit“ (Tresor/EFA)

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