usa gegen strafgericht: Polit-Zickzack mit Überläufer Blair
Wenn sich tatsächlich das durchsetzt, was gestern gemeinhin als „Kompromiss“ in der Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Rest der Welt im Weltsicherheitsrat bezeichnet wurde, hätten die USA einen enormen Erfolg zu verzeichnen. Ihnen wäre gelungen, schon drei Tage nach In-Kraft-Treten des Rom-Statutes über den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einen wichtigen Bestandteil des Statuts auf den Kopf zu stellen.
Kommentarvon BERND PICKERT
Der US-Vorschlag „immunisiert“ für einen Zeitraum von zunächst 12 Monaten alle Angehörigen von UN-Friedensmissionen vor der Jurisdiktion des IStGH – es sei denn, der Sicherheitsrat beschließt eine Ausnahme. Nach einem Jahr verlängert sich diese Freistellung automatisch, wenn der Sicherheitsrat nicht anders entscheidet. Das wird er dank des US-Vetorechtes nicht tun. Der Artikel 16 des Rom-Statuts sieht das Verfahren genau andersherum vor: Demnach kann der Sicherheitsrat in Ausnahmefällen Verfahren vor dem IStGH per Beschluss verhindern – das Vetorecht der ständigen Mitglieder war dafür bedeutungslos.
Wenn dieser „Kompromiss“ also tatsächlich Bestand haben sollte, dann haben die USA durch die Hintertür zumindest für den Bereich der Friedensmissionen wieder eingeführt, was in Rom vor vier Jahren gegen den US-Widerstand mühsam wegverhandelt worden war: Nicht eine unabhängige, dem Statut verpflichtete, multilateral zusammengesetzte Anklagebehörde entscheidet über die Einleitung von Verfahren, sondern der Weltsicherheitsrat. Für die Autorität des Gerichtshofes bedeutet das einen schweren Schlag.
Natürlich musste verhindert werden, dass der Sicherheitsrat und die UN-Friedensmissionen dauerhaft blockiert werden. Aber ein bisschen höher hätte durchaus gepokert werden dürfen, um die Integrität des IStGH zu wahren. Bemerkenswert ist, dass Großbritannien offensichtlich an dem US-Vorschlag mitgewirkt hat. Dieses Ausscheren aus der bislang einheitlichen Ablehnungsfront der EU gegen die US-Sabotageversuche zeigt, wie schwer es ist, internationale Rechtsprechung gegenüber der Macht des Faktischen, oder besser: der faktischen Macht, tatsächlich durchzusetzen.
Und wenn selbst in dieser Frage, in der sich die Europäer wesentlich einiger schienen als in etlichen anderen Problemfeldern, die Briten ihr besonderes Verhältnis zu den USA wahren, dann zeigt das auch, wie schlecht es noch immer um die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik bestellt ist.
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