piwik no script img

urteil zur prostitutionDie Freiheit zum entfremdeten Sex

Prostitution ist normal. Oder? Gestern urteilte das Verwaltungsgericht Berlin: Das Berliner Etablissement „Pssst“ ist zumindest nicht „unsittlich“. Nicht von ungefähr sprach sich sogar die Kripo für den mittlerweile bundesweit bekannten „bordellartigen Betrieb“ aus. Denn die Schließung, die nun offiziell rückgängig gemacht wurde, traf nicht einen der üblichen halbseidenen Puffs, in denen die Ausbeutung der Huren an der Tagesordnung ist. Im Gegenteil: Das „Pssst“ ist ein Lokal, das offen versucht, so etwas wie selbst verwaltete Prostitution zu gewährleisten.

Täglich nehmen 1,2 Millionen Männer die Dienste von Huren in Anspruch. Entsprechend viele Frauen verdienen damit gutes Geld. Käuflichen Sex von dem Ruch der Illegalität zu befreien ist insofern ein Akt des Pragmatismus. Davon ist auch der geplante Gesetzentwurf der Regierungsparteien geprägt, der die bisherige „Sittenwidrigkeit“ der Prostitution beenden soll. Denn die Illegalisierung der Huren verstärkt ihr Elend, anstatt die „Würde der Frau“ zu schützen, wie die Gerichte bisher immer argumentierten.

Kommentarvon HEIDE OESTREICH

Prostitution ist normal. Deshalb ist auch zu begrüßen, dass das Urteil wie auch der Gesetzentwurf das Verhältnis des Staates zu den Frauen ein weiteres Mal liberalisieren. Frauen dürfen tun, was ihnen bisher unter moralischer Direktive versagt wurde. Insofern besteht eine Parallele zur Öffnung der Bundeswehr für Frauen: Sie dürfen schießen und bald wohl auch rechtlich geschützt Sex verkaufen.

Ungewöhnlich ist, dass es eine Freiheit zu etwas ist, was der persönlichen Ethik vieler Menschen widerspricht. Es ist eine Lizenz zum Töten, die man den Frauen erteilte, und es ist eine Lizenz zum entfremdeten Sex, die nun ansteht. Sex, der Frauen vielleicht nicht mehr finanziell, aber immer noch körperlich und seelisch ausbeutet.

Dennoch ist diese Liberalisierung zu begrüßen: Sie ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, Frauen freie Entscheidungen zuzugestehen. Dazu gehört tatsächlich die Freiheit zum Schießen und die Freiheit, sich zu prostituieren. Ob die „Würde der Frau“ Prostitution einschließt oder nicht, soll die Frau definieren, nicht der Staat. Aber ist Prostitution deshalb normal? Eigentlich ist diese Art von Sex bisher nur ein Bedürfnis von Männern. Fatal wäre, wenn der Jubel der Freier über dieses Urteil den der Huren übertönte – und damit die gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber, wie Männer mit Sex umgehen, verstummte.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen