unterm strich:
Christoph Marthaler will seine Kündigung nicht hinnehmen. Der Tages-Anzeiger berichtet, dass der 51-jährige Theatermann von der am vergangenen Samstag vom Verwaltungsrat beschlossenen Auflösung seines Vertrags mit dem Schauspielhaus Zürich völlig überrascht wurde. „Sie müssen mich rauswerfen, freiwillig gehe ich nicht“, zitiert die Zeitung den Intendanten. Heute wollen der Schriftsteller Adolf Muschg und der Publizist Roger de Weck eine Protestveranstaltung für den Verbleib Marthalers in Zürich organisieren. Am Schauspielhaus in Zürich herrscht Bestürzung über den Beschluss des Verwaltungsrates, den Marthaler und seine Chefdramaturgin Stefanie Carp erst am Montag in der Post vorfanden. „Was mich am meisten konsterniert und beleidigt, ist die Hinterhältigkeit des Vorgehens“, so Marthaler. Der Verwaltungsrat habe gewusst, dass er am Wochenende fort sei, und man habe für diesen Montag ein Treffen vereinbart. Der Verwaltungsrat hatte den „Rauswurf“ mit stetig sinkenden Zuschauerzahlen begründet. Der Vertrag des Intendanten läuft über fünf Jahre, er kann aber nach drei Jahren überprüft werden. Die Neue Zürcher Zeitung sieht hier Kosten auf die Stadt zukommen, denn das „vorzeitige Aussteigen aus dem Fünfjahresvertrag mit dem Intendanten ist nicht gratis“. In den großen Schweizer Zeitungen herrschte am Montag weitgehend Einigkeit, dass die Vertragsauflösung trotz gewisser mangelnder kaufmännischer oder auch mancher exzentrischer Neigungen Marthalers ein Fehler sei. Eine Findungskommission bemüht sich derzeit um einen Nachfolger für Marthaler. Die Boulevardzeitung Blick hat da schon mal den Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, ins Gespräch gebracht. Der Tages-Anzeiger spekuliert, dass der Leiter des Maxim Gorki Theaters in Berlin, Volker Hesse, zum Zuge kommt. Er war 1997 Marthalers schärfster Konkurrent.
Feridoun Zaimoglu hat sich über seine Kollegen beschwert. In einem Interview mit Max erklärte er, dass sich unter den deutschen Schriftstellern der „Hang zur Harmlosigkeit von Nieten“ durchgesetzt habe: „Ich stelle mit Erschrecken fest, dass viele nichts daran finden, wenn sie zu Schröders Hofpoeten werden.“ Zaimoglu selbst fühlt sich durchaus wohl mit seinem gerade erschienenen Roman „German Amok“ (KiWi), in dem es um eine kaputte Gruppe Berliner Künstler geht: „Mein Wunsch ist, dass die Leute es entweder abfeiern oder dass sie heftig auf mich einprügeln werden.“ Es müsse eben einen geben, so Zaimoglu, „der diese Puppenstubenatmosphäre“ im Staate Schröders durcheinander bringe.
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