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#unkürzbar-DemoProtestieren, bis es quietscht

Rund 1.500 Menschen demonstrierten am Freitag gegen die im Haushaltsentwurf 2026/2027 vorgesehenen Kürzungen bei Bildung, Kultur und Sozialem.

Gegen Kürzen, für Handeln: DemonstrantInnen auf der #unkürzbar-Kundgebung Foto: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

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Gabrielle Meton aus Berlin

taz | „Bye bye, Kai, du mieser Kürzungshai“, schallt es am Freitagnachmittag über die Trabis und Touristen am Checkpoint Charlie hinweg. Im Nieselregen versammeln sich Demonstranten. Das Motto der Kundgebung: „Berlin ist unkürzbar.“

Die Zimmerstraße hinunter reicht der Blick bis zum Martin-Gropius-Bau. Geplant war ursprünglich, die Demonstration dort zu starten – also auch gegenüber dem Berliner Abgeordnetenhaus. Für den „störungsfreien Ablauf“ mussten die Organisatoren dann jedoch einen weiteren Treffpunkt in der Zimmerstraße angeben.

Rund 1.500 Personen aus den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur sind gekommen, um gegen die aktuell im Parlament debattierten Kürzungen des Haushaltsentwurfs 2026/2027 zu protestieren. Vor dem Wagen der Organisatoren hält Carsten ein buntes Gemälde von Berlin. „Sparen bis es quietscht“, steht darauf. „Ich würde mich freuen, wenn ich nicht hier sein müsste. Aber die Sparpolitik des Senats betrifft uns alle“, sagt der 53-Jährige. Er spüre die Auswirkungen der Kürzungen in seinem Alltag deutlich. Das Familienzentrum, in das er geht, habe aus Geldmangel einen Raum geschlossen, und es werde immer schwieriger, mit seiner Tochter kulturelle Aktivitäten zu unternehmen.

„Ein Wahnsinn“ seien die drohenden Schließungen des Theaters o.N. und des Englischen Theaters, die Verunsicherung im Jahr 2025 und die gesamte Realität des Berliner Kulturbetriebs, wettert Ulrich Schneider vor den Demonstrierenden. „Insgesamt sollen im Kulturbereich jährlich 110 Millionen Euro zusätzlich eingespart werden. Bereits 2025 sind 130 Millionen Euro aus dem Kulturetat gestrichen worden“, so der langjährige Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.

Mit ihren selbstgemachten bunten Vogel- und Wolfsmasken fallen die Mitglieder der Initiative „Kiez-Etage Karlsgartenstr. 6“ in der Menge sofort auf. Viele von ihnen sind aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Geschlechtsidentität und ihrer finanziellen Situation persönlich von den Kürzungen betroffen, erklärt Stefanie Battisti, Vorstandsmitglied des Vereins Schillerwerkstatt, der die Initiative trägt. Bereits im vergangenen Jahr war der Verein gezwungen, seine Räumlichkeiten zu verkleinern. Jetzt sind seine politischen Bildungsprojekte gefährdet. „Die Fonds für dieses Jahr wurden uns unter Vorbehalt gegeben. Was 2026 sein wird, ist unklar, im aktuellen Haushaltsentwurf steht nichts davon“, sagt Battisti.

Es fehlt an allen Enden

„Arm war nie sexy“, sagt das Plakat, das der drei Jahre alte Cosmo in den Händen hält. „Ich finde diesen Spruch von Klaus Wowereit ganz hässlich“, erklärt sein Vater Christophe Baum. Der Lehrer für Kunst und Mediengestaltung an einer Reinickendorfer Schule kritisiert: „Das Potenzial dieser Stadt und ihrer Subkultur mit ihren kleinen Projekten und Initiativen wird nicht gesehen.“

An Baums Schule fehlten die Gelder für Klassenfahrten, für Material zur politischen Bildung und für Angebote in der Sozialarbeit, berichtet er. „Die jungen Menschen merken auch, dass man keinen Wert auf sie legt. Man muss in sie und ihre Lernbedingungen investieren.“ Zwischendurch versucht er, all das seinem Sohn zu erklären. Im Moment begeistert sich der kleine Demonstrant in der violetten Regenjacke aber vor allem für die Motorräder der Polizei, die Trommeln und die Performance der Elektro-Band Hitzefrei.

„Wir wollen eine andere Bildung, eine andere Stadt!“, ruft Philipp Dehne ins Mikrofon. Der Mitbegründer der Initiative „Schule muss anders“ zählt auf: In Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf seien Schulstationen weggekürzt worden, in Neukölln die Schwimmbusse und die Schulreinigung. Mit der Bewegung #unkürzbar hofft er, Druck auf CDU und SPD auszuüben: „Wir brauchen kein Geld für Olympia oder American Football. Ich wünsche mir, dass die CDU beispielsweise durch die Touristensteuer mehr Geld einnimmt und es in die öffentliche Daseinsvorsorge investiert.“

Die Demonstranten ziehen über die Friedrichstraße und Unter den Linden bis vor das Rote Rathaus. „Hurra, die Welt geht unter“ von K.I.Z ertönt durch die Lautsprecher. Von der Dachterasse des Humboldt-Forums weht ein Tranparent von #unkürzbar.

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