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...und wußte nicht, was tun

■ Halbfinals: Martina Navratilova verliert gegen die selbstvertraute Wuchtbrumme Arantxa Sanchez / Steffi Graf reicht Dienst nach Vorschrift über Judith Wiesner

Hamburg (taz) - Stefanie Maria Graf, die inzwischen alle wieder als „Steffi“ ins Herz geschlossen haben, wird erwachsen: Beim Stande von 5:4 im ersten Halbfinalsatz gegen die Österreicherin Judith Wiesner sah sie - unisono mit dem pfeifenden Publikum - einen Ball ihrer Gegnerin deutlich ins Aus segeln. Der Linienrichter sah es anders. Und löste damit bei der Weltranglistenersten einen Wutanfall aus, der schließlich den auf hohem Stuhl thronenden Schiedsrichter so einschüchterte, daß er zwei neue Bälle gab.

Das reichte der Österreicherin. Ohne Muckser ergab sie sich ihrem Schicksal und verlor auch noch den zweiten Durchgang mit 2:6. Dabei spielte die Brühlerin gar nicht besonders gut, verschlug den Ball für ihre Verhältnisse zu oft in die Sponsorenlogen. Mißmutig absolvierte sie ihre Arbeit wie Dienst nach Vorschrift. Graf erkannte später: „Beim Training heute morgen war ich echt gut. Dann weiß ich, daß ich nicht besonders gut spielen werde.“

Ihre Finalgegnerin war gestern die Weltranglistenvierte Arantxa Sanchez-Vicario, die sich im Laufe der Turnierwoche vom spanischen Grundlinienpummelchen zur Wuchtbrumme aus Barcelona veränderte. Ihr Halbfinale gegen Martina Navratilova gewann sie nach knapp zweieinhalb Stunden mit 6:2, 6:7 und 6:2.

Navratilova hatte gegen das aggressive und sichere Spiel der Spanierin kaum eine Chance. Selbst einige Netzroller halfen ihr nicht aus der Bredouille. Denn in der ureigenen Domäne der Amerikanerin, dem Serve-and-Volley-Tennis, war ihr Sanchez-Vicario am Sonnabend ebenbürtig. Vor allem im dritten Satz wurde sichtbar, warum die ehrgeizige Arantxa („Bald will ich als erste Steffi ablösen“) letztlich die Siegerin blieb.

Mit kraftvollen Passierschlägen, eingestreuten Stops und Lobs, also dem vollständigen Gruselarsenal des Frauentennis, brachte sie ihre nicht minder athletische Gegnerin zur Resignation. 2:1 führte Navratilova bereits im dritten Satz

-und schaffte dann kein einziges Spiel mehr.

Mit rauschendem Beifall wurde die Navratilova vom 9.000 -köpfigen Publikum verabschiedet. In Hamburg wurde sie gemocht: „Martina, Martina“ oder „Martina for President“ wurde ihr skandiert. Pech für sie, daß Arantxa Sanchez -Vicario ausgerechnet beim Hamburger 350.000-Dollar-Turnier erstmals gegen sie gewinnen wollte.

„Sechs Niederlagen sind wirklich genug“, erklärte die 18jährige aus Barcelona offenherzig. „Und wo ich schon Martina geschafft habe, ist Steffi dran.“ Martina Navratilova freute sich: „Die junge Generation hat viel Selbstvertrauen. Das war bei uns damals anders.“

Die 33jährige, deren Gesicht nur für Barbies verhärmt scheint, sah gestern allerdings wirklich aus, als spielte sie die ältere Patentante ihrer Bezwingerin. Mitgenommen, mit traurigen Augen erklärte sie: „Ich wußte nicht, was ich gegen sie tun sollte. Passierschläge, Netzangriffe, Schmetterschläge oder Lobs - sie war immer genau da, wo sie nicht früh genug da sein sollte.“

Immerhin: 14.000 US-Dollar schreibt die Amerikanerin jetzt ihrem Konto gut. „Peanuts“ (DTB-Chef Günter Sanders) für eine Frau, deren Privatvermögen auf 50 Millionen US-Dollar geschätzt wird. Doch ihr Wunsch, einmal in Hamburg zu spielen und ihr Vertrag mit der Tennispromoterorganisation IMG, die auch die Lizenz für das Hamburger Turnier in Händen hält, wird immerhin nicht mit einem Taschengeld abgespeist.

Turnierdirektor Heinz Brenner, Hamburger Kontaktmann der IMG, freute sich aus allen Poren, daß die Navratilova da war. Knapp 60.000 Tickets sind für das Hamburger Turnier verkauft worden - 20.000 mehr als im vergangenen Jahr. Glücklich ist er über den Imagegewinn, schließlich litt der „event“ unter dem Stigma, ein Steffi-Graf-Turnier zu sein, kämpfte mit dem schlimmen Verdacht, daß die Tennisfrauen nur den Sand für das darauf folgende Männerturnier festklopfen.

„Soviel Sonne, soviel guter Sport“, so ein Mitarbeiter des inzwischen in Hamburg residierenden DTB, „mehr können wir uns nicht wünschen.“ Ob Stefanie Graf ihren vierten Hamburger Turniersieg in Folge erreichen konnte, stand bei Redaktionsschluß nicht fest.

Jan Feddersen

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