treffen der taz-ehemaligen: „Gegen Lähmung hilft nur Aktion“
Es dauerte keine zehn Minuten, bis die Teilnehmer*innen, wir, von den Bergen Osttirols und den Fahrradpisten Italiens herab- und bei den großen Themen der Welt und Deutschlands angekommen waren, thematisch gesehen. Kein Wunder bei der Zusammensetzung der Runde – alles ehemalige tazler*innen, von anderen gern als „Urgesteine“ tituliert.
Kein Wunder auch, dass die Runde gemeinsam das tat, was jede*r Einzelne* unter uns als Journalist*innen auch taten: Reden über die Nachrichten, schlimme und noch schlimmere – so drei Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern, dem dort manifest gewordenen weiteren Erstarken der Rechten. Es gab Diskussionsstoff mehr als genug.
Einig war sich die Runde, dass der gesellschaftliche Diskurs so weit ins Rutschen geraten ist, dass – wie in anderen Ländern – auch in Deutschland die Demokratie in Gefahr ist. Einige sahen sogar ihr Lebenswerk – mindestens aber die ein Leben lang gelebten Werte – vor der Zerstörung. Die Spaltung der Gesellschaft gehe über Corona, Migration und Armut und den Ukrainekrieg hinaus.
Bei letzterem Thema ging die Spaltung allerdings auch durch die Runde von uns tazler*innen. Anders als häufig sonst in der Gesellschaft gerieten wir uns trotzdem nicht in die Haare, obwohl deutliche Worte fielen. Alle gemeinsam trieb stattdessen die Frage um, warum es so schwer ist, breiten Protest auf die Straße zu bringen, wie dies 2018 bei „Unteilbar“ gegen den Rassismus noch der Fall war.
Eine These war, dass viele Organisationen in Zeiten von Corona oder Krieg erlebt hatten, wie sich sogar innerhalb ihrer Organisationen Spaltungstendenzen entlang dieser Fragen breitmachten. Umso schwieriger sei es heute, breite Bündnisse zu schmieden. Hoffnung machte die „Zammreißn-Demo“ in München, wenige Tage vor der dortigen Landtagswahl. 35.000 statt der erwarteten 5.000 Teilnehmer*innen hatten ihren Protest gegen Söders Populismus, Aiwangers Rassismus und die rechtsradikale AfD auf die Straße getragen.
„Jetzt geht’s um Ganze“, versuchte die Runde der Ex-tazler*innen ihre Sorge um die Demokratie in Worte zu fassen. In ihren unterschiedlichen Kreisen wollen wir dafür werben, möglichst noch vor der EU-Wahl Anfang Juni 2024 ein Bündnis für eine Großkundgebung auf die Beine zu stellen. Anflüge von Depression und Ratlosigkeit, die auch die taz-Ehemaligen kennen, wurden übertönt vom Gefühl, aktiv werden zu müssen: „Gegen Lähmung hilft nur Aktion.“ Drei Stunden angeregte und anregende Diskussion auch über die Fehler der Ampel (Klimageld, Vermögens- und Erbschaftssteuer …), die mit privaten Gesprächen zu Solaranlagen und städtebaulichen Fragen ausklangen.
Charly Amannsberger, 72, war von 1978 bis 1983 in der taz-Initiative bzw. Redaktion München, danach freier Journalist, lebt nun in Berlin.
Die Ehemaligen der taz treffen sich immer am zweiten Mittwoch in den geraden Monaten um 16 Uhr in der taz Kantine, Friedrichstr. 21, Berlin. Nächster Termin: 13. Dezember.
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