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times art center berlinAußer sich: Angst trifft Panik

Der Panik gewidmet macht Kapitel II von „Angst, keine Angst“ klar, dass wir schon mittendrin sind im Gefühl der Angst. Der Körper ist Affekt, das Ich steht neben sich. Während Kapitel 1 der von Huang Xiaopeng (1960–2020) initiierten und von Dorothee Albrecht, Antje Majewski und Stefan Rummel ko-kuratierten Ausstellung noch Unsicherheiten beschrieb, ein Laufen über unsicherem Boden – den Moment also, bevor man ihn unter den Füßen verliert –, ist „Kapitel 2: Panic – The Moment of Fear“ im Auge des Sturms angekommen. Geht da noch (künstlerischer) Abstand, wenn die physische Belastung oder Bedrohung zu groß ist?

Ganz unmittelbar und in unter 3 Minuten vermittelt Ange Kayifa in ihrem Video „Trouble“ Gefühle der Beklemmung: Zu Beginn der Pandemie in einem Hotel quasi eingesperrt, wacht sie nachts auf und wirft sich im engen Badezimmer der aufsteigenden Depression entgegen. Ihr Atmen produziert eine anschwellende Geräuschkulisse, direkter als in jedem Horrorfilm. Unter den verschiedenen Positionen in der Ausstellung zeichnet sich Sound als eines der wiederkehrenden Elemente und Themen ab: die sensorische Verbindung zwischen Sound und Erinnerung, aber auch zwischen Sound und Antizipation.

Und immer wieder das Thema Militär. Auf „The Mask“ zeigt Iyad Dayoub in Öl wie unheimlich er und seine Freunde sich plötzlich gegenseitig erschienen, als sie in der Oberschule in Syrien bei Pflichtübungen Gasmasken tragen und mit Tauchausrüstung ein Schlauchboot besteigen mussten. Die kalten Farben, die ununterscheidbaren Gesichter, sie vermitteln das Gefühl der Klaustrophobie unter der Maske. Wie riesige Insekten hatten die Freunde schließlich ausgesehen.

Eine Umkehr des Insekten-Genres findet sich bei Xi Lei. Im Film „To Look Is to Die“ spricht The Lecturer (mit großartig investierter Stimmlage Madieu Ulbrich) aus der Perspektive eierlegender Eintagsfliegen. Wie wird Erinnerung weitergeben, wenn das Überleben an Selbstauflösung geknüpft ist? Am unheimlichsten ist am Ende vielleicht eine banale Szene aus der Videoarbeit „throw away your money, working in the streets“ von RZhen: Ein Mann im Soldatenkostüm steht in einer U-Bahn-Passage, vor ihm endlos aufgereihte Plastiksoldaten in geduckter Haltung. Immer einer muss den Boden entlangrobben. Am Ende der Schlange dreht der Verkäufer mit der Gasmaske den Spielzeugsoldaten mit dem Fuß um und es wird klar: Schon beim Kriechen schießt er permanent und panik­enthemmt auf alles ein.

Noemi Molitor

Bis 17. Juli (Kapitel II bis 12. Juni), Di–Sa 12–19 Uhr, Brunnenstr. 9, mit Negativtest + Termin; Online (inkl. Videos und andere Medien aus Kapitel II): www.angst-keine-angst.timesartcenter.org

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