: theologenmäßig schlampig-betr.: "Die Interpretation der Keuner-Geschichte im Leserbrief "Das Tao der Politik", taz vom 26.2.91
Betr.: Die Interpretation der Keuner-Geschichte im Leserbrief „Das Tao der Politik“, taz vom (26.2.91)
Die Interpretation der Geschichte „Maßnahmen gegen die Gewalt“ ist theologenmäßig schlampig und falsch. Herr Egge ist kein taoistischer Meister des Widerstands, sondern wird von Brecht dargestellt als ein Kollaborateur, der sich einbildet, Widerstand geleistet zu haben, weil er der Gewalt nie gesagt hat, daß er ihr dienen wird — es aber Tag für Tag tut. Daß Feinde normalerweise nicht daran sterben, daß man sie dickfüttert und daß das auch nicht Brechts Auffassung ist, läßt sich zum einen erkennen am ironischen Gebrauch märchenhaft-biblischer Wendungen wie „als die sieben Jahre vorüber waren“, zum anderen auf dem Hintergrund marxistischer Kritik an der Sozialdemokratie. (Es gibt dazu eine zeitgenössische Collage von John Heartfield). Die Episode des Herrn Egge wird von Keuner erzählt — den man gezwungen hatte, ein öffentliches Bekenntniss zur herrschenden Gewalt abzulegen —, um seinen Schülern darzulegen, wann und wodurch man den Gewalthabern dient und wann nicht.
Der von Brecht empfohlene dialektische Umgang mit der öffentlichen Wahrheit ist nicht unproblematisch (siehe Stalinismus), daß man in diesen nachsozialistischen Zeiten aber gar nicht mehr versteht, was ein Marxist einmal geschrieben hat und es in der taz kommentarlos veröffentlicht wird, geht nun doch etwas zu weit. Bernhard- Andreas Becker- Braun
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