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taz-Wahllokal: BürgerbeteiligungMehr Transparenz für Bürger

Bei der letzten Veranstaltung vor der Wahl plädieren die Fraktionschefs für mehr Miteinander in der Gesellschaft. Die Kontroversen, wie das gehen soll, halten sich in Grenzen.

Die Grünen wollen im Falle einer Regierungsbeteiligung das Wahlrecht für Migranten und Jugendliche auf Landesebene durchsetzen. "Ich gehe davon aus, dass die 16-Jährigen bei der nächsten Wahl dabei sind", sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann im letzten taz-Wahllokal am Mittwochabend. Er sprach von einer rot-grünen Verabredung. Schwieriger werde es mit dem Wahlrecht für in Berlin lebende Menschen aus anderen Ländern. Es müsse geprüft werden, ob dies rechtlich möglich ist, sagte Ratzmann. Über das Wahlrecht von ausländischen MitbürgerInnen entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Auf Bezirksebene dürfen EU-Bürger wählen, ebenso 16-Jährige.

Gemeinsam mit SPD-Fraktionschef Michael Müller, seinem Kollegen Udo Wolf von der Linksfraktion, Oliver Wiedmann von Mehr Demokratie und Christina Rucker vom ePartizipations-Berater zebralog sprach Ratzmann über das Verhältnis von Bürger und Staat. "Wer regiert die Stadt?", hatte taz-Redakteur Konrad Litschko gefragt und damit auf ein Auseinanderdriften zwischen den zu Wählenden und dem Wahlvolk gezielt.

Die Kontroversen darüber hielten sich in Grenzen. Keiner wollte konkret werden - gut für den Wohlfühlfaktor, schlecht für die, die eine Wahlhilfe suchten. Im Prinzip waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dass mit mehr Transparenz schon viel erreicht wäre. Müller verteidigte die derzeitige Situation im Land. "Das Parlament ist ein offenes Haus", sagte er. Protokolle würden öffentlich gemacht, die meisten Ausschüsse seien es auch. Er warnte vor den Folgen von noch mehr Öffentlichkeit: Ausschüsse könnten leicht zum "grauenvollen Schaulaufen" missbraucht, Sacharbeit erschwert werden.

taz-Wahllokal

Die Debatte über Bürgerbeteilgung war die fünfte und letzte Runde im taz-Wahllokal zur Abgeordnetenhauswahl am kommenden Sonntag. Unter taz.de/zeitung/tazinfo/videos/ kann man diese Diskussionen und deri der vorhergehenden ansehen.

Selbst Wiedmann als Demokratie-Lobbyist stritt nicht ab, dass es zwischen Parlament und Bevölkerung ein Maß an Transparenz bereits gebe. Aber zielführend sei das nur, wenn Bürger auch die Möglichkeit hätten, Entscheidungen an sich zu ziehen. "Bürgerentscheide müssen verbindlich werden", forderte er.

Womöglich braucht es solche Korrekturen gar nicht - wenn Bürger von vornherein mitgenommen werden. Zebralog-Mitarbeiterin Rucker verwies auf die Dresdner Stadtverwaltung, die seit kurzem mit Vorlauf über anstehende Infrastrukturprojekte informiere und Bürger auffordere, ihre Meinung dazu abzugeben. Bei Großvorhaben könnten Betroffene auch zweimal befragt werden - im frühen Stadium und wenn konkrete Zahlen feststünden. So würde vermieden, dass die Bürger erst dann aufstehen, "wenn die Bagger anrollen", wie Ratzmann sagte.

Einfache Rezepte für mehr Miteinander in der Stadt gibt es nicht, machte Linken-Fraktionschef Wolf deutlich, als er auf das Problem der Lobbygruppen unter Bürgern verwies. "Die Politik hat die Aufgabe, gerade auf die zuzugehen, die das Interesse an Beteiligung verloren haben", sagte er. "Wir müssen ihnen zeigen, dass Politik und Mitwirkung ihnen nutzt."

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3 Kommentare

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  • H
    Halina

    Das es keine Kontroversen gab stimmt so nicht. Kontrovers wurde beispielsweise diskutiert, ob die Quoren für Volksentscheide abgesenkt werden sollen. Die Herren Ratzmann und Müller lehnten dies ab, Herr Wolf fand das "diskussionswürdig". Zur Frage ob Ausschußsitzungen live im Internet übertragen werden sollen zitieren Sie Herrn Müller korrekt unterschlagen aber, dass Herr Wolf fragte, was denn dagegen sprechen würde. Und während Herr Müller argumentierte, dass die Wahl doch eine große Volksabstimmung sei, sprach sich Herr Wolf explizit für einen Bürgerhaushalt auch auf Landesebene und ein obligatorisches Referendum für den Fall aus, dass öffentliches Eigentum verkauft werden soll.

  • B
    BÜRGERIN

    Das nächste Mal sollte die taz bei einer Diskussion zum Thema Bürgerbeteiligung vielleicht auch mal erfahrene Leute von Bürgerinitiativen mit auf das Podium setzen. Das würde die Diskussion sicher interessanter zu machen.

     

    - Z.B. Leute von der BI "Bäume am Landwehrkanal", die sich seit 2007 für eine ökologische Sanierung des Berliner Landwehrkanals engagieren und seit ihren medienwirksamen Protesten z.T. im größten Mediationsverfahren Deutschlands mitarbeiten.

    An dem Mediationsverfahren "Zukunft Landwehrkanal" nehmen u.a. VertreterInennen von Bundesbehörden, dem Land Berlin und von 5 Bezirken teil. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat sich seit 2007 allerdings so gut wie nie am Verfahren beteiligt. - U.a. daran erkennt man das Desinteresse der SPD an BürgerInnenbeteiligung (zuständig ist Frau Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer). Wir fordern Frau Junge-Reyer und Herrn Bundesverkehrsminister Ramsauer seit langem auf, sich für ein stadt- und gewässerökologisches "Modellprojekt ökologische Sanierung Landwehrkanal" einzusetzen.

     

    Gestern hatte die BI eine Info- und Diskussionsveranstaltung zur BürgerInnenbeteiligung im Mediationsverfahren gemacht.

     

    http://www.berlin-agora.de/1509-zukunft-des-landwehrkanals

     

    Mein Fazit nach über 4 Jahren Engagement lautet:

    Die bestehende BürgerInnenbeteiligung ist meist leider eine Pseudo-Beteiligung. Deshalb brauchen wir dringend mehr echte direkte Demokratie!

     

    Gern hätte ich dazu einen Debattenbeitrag in der taz veröffentlicht, aber die taz (Ressort Meinung/Debatte) hatte offenbar leider kein Interesse an der Betrachtung des Themas aus Bürgerinitiativensicht. Sehr schade.

     

    Dabei bin ich sicher:

    Gerade die LeserInnen der taz wollen auch Kommentare von Leuten "von unten" aus der Praxis lesen. Schließlich sind nicht nur die Erkenntnisse von Professoren oder von Verbands-Geschäftsführern, die sowieso überall zitiert werden und dadurch die herrschenden Debatten bestimmen können, interessant.

  • F
    Feuerbohne

    Herr Ratzmann sollte sich in Zukunft überlegen, ob er an Podiumsdiskussion teilnehmen möchte. Eintönige Ja- oder Nein-Antworten kommen bestenfalls beim Wissensquiz gut an, aber nicht in einer Debatte, die von Argumenten leben sollte. Oder wollte Herr Ratzmann mit seiner pampigen Arroganz genau darüber hinwegtäuschen, dass er keine Argumente hat? Potentielle Wähler wird er bei diesem Auftritt wohl nicht für sich gewonnen haben.