taz-Serie Nachtzugkritik: Ruhe und Platz fürs Faltrad
Mit dem Nachtzug von Nador nach Casablanca in Marokkos Norden. Die Fahrt von Küste zu Küste lässt kaum Wünsche offen – und ist erschwinglich.
Eine Fahrt im Nachtzug von der Mittelmeerstadt Nador an die Atlantikmetropole Casablanca gleicht einem wohligen Schaukeln durch eine lange Nacht. In zehneinhalb Stunden gleitet der lange Zug schier lautlos durchs Dunkel. Nach der Abfahrt um 20.26 Uhr kommt er pünktlich um 6.50 Uhr im gut 660 Kilometer entfernten Passagierbahnhof Casa Voyageurs in Casablanca an. Auf seinem Weg passiert er weltbekannte Städte wie Fes, Meknes und auch die Landeshauptstadt Rabat.
Es bietet sich an, dort auf der Rückfahrt haltzumachen. In der Regel verkehren 14 Züge pro Woche auf der Strecke. Die marokkanischen Züge sind bequem, erschwinglich und einfach zu benutzen. Außerdem gibt es in Marokko einige der schönsten Bahnhöfe in ganz Afrika.
Eingesetzt wird der Nachtzug in Beni Ansar, 12 Kilometer nördlich von Nador. Beni Ansar grenzt direkt an die spanische Enklave Melilla. Bekannt wurde die Stadt durch einen gewaltigen Grenzzaun zur Europäischen Union. Flüchtende aus Ländern südlich der Sahara versuchten zuletzt im Juni 2022, diesen Zaun mit einem Massenansturm zu überwinden, um in die EU zu gelangen. In Beni Ansar gibt es einen Hafen, von dem aus Fähren nach Sète in Frankreich sowie ins spanische Almería und Málaga fahren.
Schaffner mit Zeit für die Gäste
Auch unter den Mitreisenden am Bahnsteig in Nador zeigt sich ein Nebeneinander von Geschäftsleuten, Familien und Migrant:innen. Auf die Passagiere des Schlafwagens wartet ein Schaffner vor dem letzten Waggon. Er verteilt Willkommenspäckchen mit einer kleinen Wasserflasche und Toilettenartikeln und nimmt sich Zeit für seine Gäste. Jedes Abteil verfügt über ein einziges Bett, elegant bezogen mit einer roten Decke, Laken und Kopfkissen. Ein Waschbecken und ein Sessel mit Tischchen runden das Mobiliar ab.
Der üppige Stauraum bietet Platz für viel Gepäck, selbst ein Faltrad wäre kein Problem. Zum guten Service gehört ein kleines Frühstück mit Kaffee und Croissant kurz vor der Ankunft. Die mehrfach vorhandenen Steckdosen in der Ein-Frau-Kabine sind indessen nicht angeschlossen.
Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Angebote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden.
Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.
Das Zugnetz in Marokko ist nördlich des Atlasgebirges gut ausgebaut. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Hauptlinien, die vom staatlichen Eisenbahnbüro Office National des Chemins (ONCF) betrieben werden. Die touristischere Linie verläuft entlang der Atlantikküste von Tanger nach Süden über Rabat und Casablanca bis nach Marrakesch. Zwischen Tanger, Casablanca und Rabat sind seit 2018 auch Schnellzüge mit bis zu 320 Kilometern pro Stunde im Einsatz.
Die andere Linie verbindet Oujda im Nordosten mit Rabat. Ergänzt werden die Zuglinien durch Fernbusse des ONCF. Fahrkarten können online oder persönlich an jedem Bahnhof gekauft werden. Die Fahrt von Nador nach Casablanca kostet im Einerabteil 499 Dirham, umgerechnet etwa 45 Euro. Wer zu Lande und zu Wasser nach Marokko reisen möchte, fährt mit dem Zug ans Mittelmeer und nimmt zum Beispiel die Fähre ab Marseille oder Sète.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball