taz-Serie "Haben Sie noch Feuer?" Teil 1: "Man sollte als Raucher zivilisiert sein"

Die Schriftstellerin Iris Hanika sieht das Rauchverbot in Kneipen, Restaurants und Clubs gelassen: "Ich kann alles machen, ohne zu rauchen, nur schreiben nicht"

Die letzten Zigaretten vor dem Rauchverbot Bild: AP

taz: Also, jetzt rauchen wir erst mal eine.

Ab dem 1. Januar 2008 ist das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und in Gaststätten in Berlin verboten. In Restaurants und Kneipen darf nur noch in abgetrennten Raucherräumen gequalmt werden.

Aus diesem Anlass spricht die taz Berlin in den kommenden Tagen mit passionierten Rauchern über Vorzüge und Nachteile dieser Sucht, den gesellschaftlichen Vormarsch der Nichtraucherbewegung, das Rauchen als Kulturtechnik und als Ausdruck von Lebensqualität. Den Anfang macht heute die Kreuzberger Schriftstellerin Iris Hanika, morgen folgt der Neurochirurg Christian Sprung.

Iris Hanika: Gut, rauchen wir erst mal eine.

Willst du eine Aktive?

Eine Filterzigarette soll eine Aktive sein?

Ja, das ist angeblich Knastjargon.

Ich rauche inzwischen nur noch Selbstgedrehte.

Gedrehte! Das hat auch überhand genommen. Seit Zigaretten so teuer sind, wird einem beim Schnorren immer mehr der blöde Tabak angeboten.

Aber ich bin nicht einfach zum Tabak zurückgekehrt, sondern zu einem Tabak ohne Zusatzstoffe und aus biologischem Anbau. Das ist die gesündeste Form des Rauchens, denke ich.

Ich bin Krisen- und Genussraucherin, rauche nur in Gesellschaft und in Verbindung mit Alkohol. Ach, es ist schon etwas Schönes, das Rauchen!

Ja. Rauchen ist so eine angenehme Beschäftigung zwischen Tun und Nichtstun. Robert Musil hat gesagt, sinngemäß, die Zeit zwischen Geburt und Tod sei sehr unangenehm, Rauchen helfe einem aber dabei, sie herumzukriegen.

Und das soll alles vorbei sein? Als Gelegenheitsraucherin ist es mir recht, dass Restaurants nicht mehr so verqualmt sein werden, dass mir bei Konzerten nicht mehr schlecht wird, wenn ich irgendwo in der ersten Reihe zwischen lauter Rauchern stehe. Aber das Rauchen abends in einer Bar, das werde ich sehr vermissen.

Das werde ich, glaube ich, gar nicht vermissen. Man sollte auch als Raucher zivilisiert sein, und in manchen Räumen kann man sowieso nicht rauchen. Bei Konzerten ist das auch eine Missachtung der Musiker, wenn man raucht, statt zuzuhören.

Aber auch Nichtraucher sollten zivilisiert sein. Zivilisation ist keine Einbahnstraße.

Raucher sind eh sehr defensiv geworden in den letzten Jahren, Nichtraucher dafür eher offensiv.

Ich befürchte auch, dass man tagsüber nicht mehr ins Café gehen kann. Wenn es rauchfrei ist, werden die ganzen Mütter mit ihren Babys und schreienden Kleinkindern in den Cafés sitzen.

Da würde ich mir keine Sorgen machen. Es gibt doch ganz unterschiedliche Arten von Cafés. Hier im Einstein zum Beispiel gibt es wohl auch tagsüber eher wenig Mütter.

Stimmt. Es gibt schon jetzt so Kindercafés, in denen sich die ganzen Mütter treffen.

Eben. Mütter mit Kindern gehen doch wahrscheinlich lieber in helle Cafés, in denen stabile Holzmöbel stehen. Außerdem gingen wir da auch nicht so früh am Tag hin, weil wir da noch schlafen.

Gut, da müssen wir uns also keine Sorgen machen. Wirst du das vermissen, die Zigarette zum Kaffee?

Das geht dann halt nicht mehr.

Glaubst du, die werden das alle durchziehen? Ich hab immer noch so ein letztes Urvertrauen in unser anarchistisches Kreuzberg

Das wird sich von alleine ergeben. Als ich letztens von der Buchmesse zurückgefahren bin, ist mir aufgefallen, dass die Leute am Bahnhof tatsächlich nur noch an den Raucherinseln rauchen. Früher in Berlin haben sie in allen U-Bahn-Stationen geraucht, manche haben auch in der U-Bahn noch geraucht. Es wurde überall geraucht, ob es nun verboten war oder nicht. Offenbar hat man es jetzt schon verinnerlicht, dass man sich an die Vorschriften hält und sowieso nicht rauchen darf.

Aber ich kann das nicht glauben. Die ganzen Bars und Clubs, die legalen und halblegalen, da wird doch auch gekifft und Kokain genommen. Meinst du, die halten sich ans Rauchverbot?

Kokain stört und schädigt ja keinen anderen, da kann man schwer mit der Volksgesundheit argumentieren. Kürzlich habe ich einen Nichtraucher getroffen, der gegen das Rauchverbot ist, weil er gegen Freiheitsbeschränkung ist. Ein sehr angenehmer Nichtraucher war das, ich glaube, das wird mein neuer Freund. Ich habe mir schon vor längerer Zeit vorgenommen, nicht mehr draußen, sondern nur noch zu Hause zu rauchen, bei der Arbeit, weil ich tatsächlich nicht schreiben kann, ohne zu rauchen. Wenn mir das jetzt abgenommen wird und ich in Lokalen auch gar nicht mehr rauchen darf, selbst wenn ich wollte, wird mir das helfen, meine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Außerdem wird mein Lippenstiftverbrauch sinken.

Und ich werde so frieren müssen in den nächsten Monaten, wenn ich dann aus Solidarität mit den Rauchern vor die Tür gehe, weil ich nicht alleine drinnen sitzen will. Ach, die Leute rauchen ja jetzt schon draußen, aus vorauseilendem Gehorsam.

Es wird keine frische Luft mehr geben. Es wird im Freien verqualmter sein als drinnen, dabei schmecken die Zigaretten im Freien gar nicht.

Im Freien rauchen nur die ganz Abhängigen. Ich habe ja ein paar Jahre nicht geraucht, aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen, und dann wieder angefangen. Schön blöd, kann man sagen, aber ich rauche jetzt auch aus Trotz. Es hat so was Widerständiges, sich absolut unvernünftig zu verhalten. Aber wenn du rauchst, um schreiben zu können, ist das natürlich geradezu vernünftig.

Ich habe ja auch längere Zeiten in meinem Leben nicht geraucht. Einmal hab ich fast zwei Jahre nicht geraucht. Damals habe ich zwar für die Zeitung gearbeitet, aber sonst nichts geschrieben. Kurz bevor ich wieder angefangen habe, dachte ich, ich sei komplett darüber hinweg, ich sei jetzt wirklich Nichtraucherin geworden. Und dann habe ich eine Zigarette geraucht und hatte sofort das Gefühl: "Jetzt bin ich wieder ich." Ich kann alles machen, ohne zu rauchen, nur schreiben nicht.

Weil dir dann nichts einfällt?

Schreiben ist ein unglaublich anstrengendes Geschäft. Zeitungsartikel schreiben geht auch ohne Rauchen, aber das andere Produzieren, alles, was über Berichterstattung hinausgeht, ist doch erst einmal etwas Eigenartiges. Vielleicht setzt man sich deswegen unter Drogen, um das Gefühl, etwas Eigenartiges zu tun, zu überwinden. Es ist schwer zu beschreiben. Außerdem rauche ich nun schon so lange Ich habe mit zwölf Jahren damit angefangen. Mein Körper hält Nikotin wahrscheinlich für einen Teil der natürlichen Umgebung, und wenn es fehlt, denkt er, es sei ein Notstand ausgebrochen. Natürlich ist der unmittelbare Notstand relativ schnell wieder vorbei, der Körper ändert die Zahl der Serotoninrezeptoren und so weiter. Trotzdem fehlt etwas. Rauchen ist schon die härteste Sucht, die es gibt, schlimmer als Heroin.

Das würde ich aber stark bezweifeln.

Doch. Nikotin macht genauso schnell abhängig wie Heroin, es macht wirklich beim ersten Mal abhängig.

Ach was! Vom Zigarettenentzug bekommst du keine Gliederschmerzen, der Beschaffungsstress, die Kriminalisierung und Verelendung, das fällt alles weg.

Darum rauchen die Leute eher, als Heroin zu nehmen.

Ach, ich rauch jetzt mal noch bis zum Ende des Jahres und dann guck ich mal. Aber irgendwie ist es auch so ärgerlich! So erbärmlich, dass wir wegen des Verbots aufhören, dass wir uns das vom Staat vorschreiben lassen müssen.

Andererseits ist man wirklich nicht schon deshalb ein Rebell, weil man raucht. Diese Art von Rebellion ist doch auch erbärmlich.

Eigentlich geht es mir beim Rauchen oft mehr um die Geste als ums Nikotin. Rauchen ist so eine schöne Ausdrucksform. Man kann provokant rauchen, melancholisch, hingebungsvoll, es gibt sogar ein gewissenhaftes Rauchen. Das habe ich mal beobachtet im alten Ostbahnhof, als es noch am Ende der langen Gänge eine Gepäckaufbewahrung gab. Hinter der Theke dort saßen zwei Frauen in Kittelschürzen, mit leicht verbrauchten Gesichtern und grauer Haut. Die saßen auf Stühlen, und vor sich hatten sie ganz ordentlich zwei Zigarettenschachteln liegen, daneben jede einen Aschenbecher. Beide hielten Zigaretten in den Händen, und aus jeder Schachtel war schon die nächste Zigarette ein Stückchen herausgezogen. Das hat mich sehr beeindruckt. Diese Hingabe an das Hobby Rauchen.

Wahrscheinlich haben sie das Rauchen auch gebraucht, weil sie keine besonders aufregende Arbeit hatten.

Ja, sie haben sich die Arbeit schön geraucht.

Es gab in der taz mal ein Foto von Ingrid Caven mit einer Zigarette in ihrer graziös abgespreizten Hand. Darunter stand: "So hält man eine Zigarette."

Ach ja, Rauchen und Singen und all die schönen Songtexte Hildegard Knef zum Beispiel: "Ich rauche noch eine Zigarette und leg noch mal die alte Platte auf." Wenn gar nicht mehr geraucht wird, wird auch ein Stück Kultur dahingehen. Was wird dann aus all den stereotypen Situationen, zum Beispiel aus der berühmten "Zigarette danach"?

Widerlich! Nur bei sehr großer Liebe gestattet! Ich selbst rauche nie im Schlafzimmer. Dort will ich keinen Gestank haben.

Ach, der Gestank, der schale Rauch, der lässt sich doch noch am leichtesten verkraften am ganzen Liebeselend, da kann man lüften

Das Reden übers Rauchen ist eigentlich unsinnig. Rauchen ist eine Nebenbeschäftigung, die man neben den Hauptbeschäftigungen ausübt. Das Ärgerliche ist, dass man seit der Verbotsdiskussion immer wieder Hauptgespräche über diese Nebenbeschäftigung führen muss.

Dann rauchen wir jetzt noch eine, und dann gehen wir.

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