taz-Serie: Die Grenzen des Wachstums: Die Untragik der Allmende
Wird bei einer gemeinsamen Nutzung von Gütern wirtschaftliches Wachstum weniger wichtig? Das glaubt zumindest die Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom.
Elinor Ostrom in einer Serie zur Postwachstumsgesellschaft? Gewiss steht Wachstumskritik nicht im Mittelpunkt des Denkens der Politikwissenschaftlerin aus Indiana, USA, die vor drei Jahren den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Trotzdem trägt die 78-Jährige zu der Diskussion, wie ein gutes Leben ohne Wachstum möglich sei, Interessantes bei. Sie wollte wissen, unter welchen Bedingungen Menschen öffentliche Güter gemeinschaftlich nutzen können.
Dass Kühe und Ziegen auf den Weiden nur zwischen den Grenzsteinen ihrer jeweiligen Besitzer grasen dürfen, ist keineswegs so logisch, wie wir das heute finden. Jahrhundertelang haben Bauern das Land in und um ihre Dörfer als Allmenden genutzt, also gemeinsam. Indigene Völker in Asien oder Lateinamerika bewirtschaften etwa den Regenwald noch heute auf diese Weise. Es ist Ostroms Verdienst zu zeigen, dass das durchaus effektiv und ressourcenschonend war und ist.
Allerdings hält Ostrom dafür bestimmte Voraussetzungen für notwendig: Vor allem, dass die Menschen, die die Allmende gemeinsam nutzen, sich ständig über diese Nutzung verständigen. Sie müssen sich auf Regeln einigen, durchaus auch auf Zugangsregeln, sodass es nicht zur Übernutzung kommt: Hier liegen die Grenzen des Wachstums. Dass eine gemeinsame Nutzung bedeute, alle könnten sich bedienen, ist ein Missverständnis.
Der Mythos: Viele meinen, dass die Wirtschaft stets wachsen muss, um die Welt zu ernähren.
Die Kritik: Spätestens seit der Club of Rome 1972 "Die Grenzen des Wachstums" vorstellte, ist klar: Wachstum ist auf einem endlichen Planeten nicht unendlich.
Die Alternativen: Etliche Wachstumsskeptiker beschäftigen sich mit diesen Fragen. Die einen fordern eine Verlangsamung des Wachstums, andere einen Stopp, einige eine Rücknahme. Die taz stellt die wichtigsten Köpfe vor.
Längst hat sich weltweit, auch in Deutschland, eine große Fangemeinde Ostroms gebildet, die die Idee der "Commons" – so der englische Begriff für die Allmende – weiterentwickeln und anzuwenden versuchen, gilt sie doch als möglicher dritter Weg zwischen kapitalistischer Privatwirtschaft und sozialistischer Staatswirtschaft.
Begrenzte Ressourcen
Während diese beiden auf der Grundlage eines steten wirtschaftlichen Wachstums aufgebaut sind, ist die Allmendewirtschaft durch das Angebot einer Ressource begrenzt, sei es Wiese, sei es Wald, sei es die Aufnahmekapazität der Atmosphäre an Kohlendioxid. Diese gilt es dann, auf Dauer gerecht zu verteilen.
Wirtschaftliches Wachstum, so die Idee, wird dabei weniger wichtig, weil "all das, was als Gemeingut hergestellt wird, nicht künstlich verknappt werden muss. Güter werden nicht als Ware hergestellt, sondern um Sozialbeziehungen zu pflegen, Bedürfnisse zu befriedigen und Probleme zu lösen", schreibt die Jenaer Publizistin Silke Helfrich in ihrem Blog commonsblog.wordpress.com. Sie befasst sich seit Langem mit dem Thema und hat Werke Ostroms ins Deutsche übersetzt und gemeinsam mit ihr herausgegeben.
Das Faszinierende an der Allmende-Idee ist, dass sie bereits verwirklicht wurde und wird. Das Ernüchternde: Überlebt hat sie heute nur in Nischen, allerdings in vielen. Denn auch das ist zentraler Bestandteil Ostroms Denkens: Es gibt nicht die eine Lösung für die Probleme endlicher Ressourcen, nicht den einen, großen Wurf zur Rettung der Welt. Sondern viele, die je nach Ort und Lage der Dinge jeweils unterschiedlich ausgestaltet werden müssen. Darum wird es wichtig, die Akteure vor Ort einzubinden, ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu nutzen.
Ostroms Idee bleibt zwar bislang im Bereich des Utopischen – doch nicht nur das Nobelpreiskomitee wünscht ihr mehr Bedeutung.
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