piwik no script img

täglich in bremen„Riesengroßer Blumentopf“

Foto: Christian Vankamm

Jens Deutschendorf, 40, ist Staatsrat für Bau, Verkehr und Umwelt und Diplom-Stadtplaner.

Interview Gareth Joswig

taz: Herr Deutschendorf, die FDP will prüfen, ob man nach den schlimmen Unfällen an der Brill-Kreuzung die geschlossene Fußgänger-Tunnel wieder eröffnet. Eine gute Idee?

Jens Deutschendorf: Fußgängerunterquerungen können grundsätzlich Sinn ergeben. Gerade die am Brill allerdings ist nicht genutzt worden, weil dort viele Leute den schnellsten Weg zur Straßenbahn suchen.

Aber die Verkehrssicherheit würde ein Brill-Tunnel doch steigern.

Nein. Würde er nicht, weil er leer bliebe. Auch gegen die tragischen Unfälle hätte der Tunnel nichts gebracht. Ein Unfall war ein Abbiegeunfall einer Fahrradfahrerin mit einem LKW, wie er überall hätte passieren können. Der andere Unfall mit zwei Toten in der vergangenen Woche ist auf Höhe der Schlachte passiert. Dort gibt es ja bereits sogar eine Unterquerung direkt an der Weser. Die hat aber leider auch nicht den Unfall verhindert.

Was wäre besser?

Wir wollen ab Oktober an dieser Stelle eine Fußgängerüberquerung mit Ampel bauen und prüfen, an der Kreuzung Tempo 30 einzuführen.

Die FDP kritisiert, dass Tempo 30 die Staugefahr erhöhe. Wie sehen Sie das?

Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass Tempo 30 keineswegs das Staurisiko erhöht – im Gegenteil: Der Verkehr fließt besser, der Bremsweg von Autos halbiert sich und es ist sicherer. Was die FDP fordert, ist die autogerechte Innenstadt. Das ist nicht Sinn und Zweck einer modernen Stadtentwicklung. Das Ziel ist eher eine autofreie Innenstadt. Abgesehen davon hat die FDP selbst dafür gestimmt, den Tunnel zu schließen.

Brill-Tunnel bleibt rund um die Uhr geschlossen.

Wie teuer wäre die Öffnung des Tunnels?

Die Tunneleingänge tragen seit ihrer baulichen Schließung Schwerlastverkehr. Ein Rückbau würde im einstelligen Millionenbereich liegen. Kosten für barrierefreie Fahrstühle kämen noch hinzu.

Wie sieht die Kreuzung am Brill in fünf Jahren aus?

Toll wäre es, bei einem Umbau der Innenstadt aus einer verkehrsberuhigten Brill-Kreuzung einen Platz mit Verweilqualität zu schaffen und das Faulenquartier mit der City zu verbinden. Dort soll man gerne unter Bäumen auf Parkbänken sitzen können. Vielleicht wäre das eine sinnvolle Verwendung des Brill-Tunnels: Man könnte Erde hineinschütten, um Bäume anzupflanzen. Der Brilltunnel wäre ein riesengroßer Blumentopf mit Straßenbahn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen