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steuerreformEinmalige Chance für Berlin

Nach langer Abstinenz darf der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) endlich wieder große Politik spielen. Dass es bei der Verabschiedung der Steuerreform morgen im Bundesrat womöglich auf die Berliner Stimmen ankommt, machte ihn sogar als Interviewpartner für die „Tagesthemen“ interessant.

Plötzlich ist Diepgen im Verhältnis zum Bund nicht mehr der Bittsteller, sondern der Umworbene. Kein Wunder also, dass der Bürgermeister über seinen Schatten sprang – und mit dem Kanzler ganz unspektakulär das Gespräch suchte, das er bislang trotzig verweigert hatte.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Diepgen ist Politprofi genug, um zu erkennen: Solch eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder. Bis zum morgigen Freitag noch kann sich Berlin sein Jawort im Bundesrat mit einer saftigen Gegenleistung bezahlen lassen. Lässt sich der bankrotte Stadtstaat die Gelegenheit entgehen, muss er in einem zweiten Vermittlungsverfahren mit den Interessen aller 15 übrigen Bundesländer konkurrieren. Weitere Einbußen drohen durch die Forderung nach weiteren Steuersenkungen – von der sich die CDU-Bundesspitze gestern wohlweislich verabschiedet hat.

Durch sein allzu lautes Klagen über die Nachteile der Reform für den Mittelstand hat sich Diepgen allerdings selbst die Hände gebunden. Ohne ein zumindest formales Zugeständnis in dieser „Systemfrage“ wird er der Reform nicht zustimmen können. Allzu hoch darf Berlin den Preis jedoch nicht treiben. Sind andere Ländere billiger zu haben, geht die Hauptstadt womöglich leer aus. Um dann nicht als Verlierer dazustehen, hat Diepgen schon zu hoch gepokert.

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