starke gefühle: Ob Vergraben von Asche im Garten erlaubt wird, ist eine soziale Frage. Bestattungen müssen billiger werden
Es ist ein paar Jahre her, da besuchte ich eine Freundin am Bodensee. Auf einem Tisch im Wohnzimmer stand eine Urne. Drin: die Asche ihrer Mutter. Obwohl Blumen daneben standen und eine Kerze, sah es weniger aus wie ein Altar, vielmehr wie etwas, das noch zu erledigen ist. Und es war auch so. Ihre Mutter wollte, dass ihre Asche im Bodensee verstreut wird.
Ein Boot, um rauszufahren, war kein Problem. Meine Freundin hatte eins. Wie genau sie es aber angestellt hatte, in den Besitz der Urne zu kommen, sagte sie nicht. „Es gibt Wege.“ Meiner Freundin half damals vermutlich, dass sie direkt an der Schweizer Grenze wohnte, wo die Bestattungsgesetze liberaler sind. Vielleicht hatte ihr ein Schweizer Bestatter geholfen.
Was in der Schweiz geht, ist in Deutschland kompliziert. Bestattungsvorschriften sind Ländersache. Nun prescht Rheinland-Pfalz mit der wohl weitreichendsten Liberalisierung des Bestattungsrechts vor. Ab dem 4. Oktober soll alles anders werden: Flussbestattungen im Rhein, Mosel, Saar und Lahn soll es geben, Bestattungen im Garten, Bestattungen im Tuch. Die Urne darf zu Hause aufbewahrt, die Asche in Schmuckstücke eingearbeitet werden.
Reliquie nennt man so ein Geschmeide im Christentum. Gilt natürlich nur für Heilige. Aber manche Verstorbene sind das für die Hinterbliebenen wohl auch.
Natürlich, jetzt kommt ein Knackpunkt: Die Durchführungsverordnung zum rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz sei noch nicht ausgearbeitet. Auch kann von den neuen Möglichkeiten nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Verstorbene sie zu Lebzeiten wünscht.
Die Landeskirchen in Rheinland-Pfalz sind not amused. Sie fürchten um die Einnahmen für den Unterhalt der Friedhöfe. Und es stimmt: Friedhöfe sind magische Orte. Und nicht nur das, sie sind auch Grünflächen, sind wichtig für die Biodiversität, die Naherholung, die Verbesserung der Luft. Vor allem in Städten.
Wenn die Kosten für die Pflege der Friedhöfe nicht mehr durch Grabgebühren getragen werden, müssen andere Finanzquellen gefunden werden, etwa durch Umlagen von all denen, die die Luft verpesten. Auch muss gesichert sein, dass stillgelegte Friedhöfe nach den vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht stante pede den Grundstücksspekulanten anheimfallen, sondern als Grünflächen erhalten bleiben.
Die Liberalisierung des Bestattungsrechts ist in allen Bundesländern notwendig. Es geht dabei nicht nur um Beerdigungskultur oder die Pfründen der Kirchen. Ein wichtiger Faktor sind auch die Kosten. Beerdigungen müssen billiger werden. Wenn kein Sarg notwendig ist, sondern ein Tuch reicht, wenn keine Grabstelle gemietet werden muss, sondern die Urne im Garten vergraben werden kann, dann spart das Geld.
Nicht alle Verstorbenen haben vorgesorgt. Sind keine Rücklagen da, werden die Angehörigen laut dem Bürgerlichem Gesetzbuch in die Pflicht genommen – und zwar bis in die Enkelgeneration.
Wir wissen Dinge über die Zukunft. Dass wir sterben werden, ist eines davon. Es sollte jedem obliegen, selbst zu entscheiden, wie er oder sie beerdigt werden will. Am allerwenigsten soll es ein Verwaltungsakt sein.
Ich wollte nie eingesperrt werden. Die Vorstellung, dass mein Körper oder was davon übrig ist, in einem Erdloch versinkt, behagt mir nicht. Ich will, dass meine sterblichen Überreste luftig verwehen. Und Musik soll sein. Waltraud Schwab
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