spd und schwarzarbeit: Law and Order
In Wahlkampfzeiten schlagen Politiker gern radikale Maßnahmen vor. SPD-Fraktionschef Michael Müller möchte da nicht hintanstehen: Schwarzarbeiter und ihre Auftraggeber sollen in einem Schnellverfahren abgeurteilt werden. Das ist purer Law-and-Order-Populismus, der das Problem nicht löst.
Kommentar vonRICHARD ROTHER
Sicher, die Schwarzarbeit bereitet der öffentlichen Hand sowie der Renten- und Sozialversicherung gravierende Schwierigkeiten, weil Einnahmen in Milliardenhöhe verloren gehen. Die ausgeweiteten Kontrollen auf Berliner Baustellen haben sich indes bisher als untauglich erwiesen, diese Situation in den Griff zu bekommen. Kein Wunder: Solange die Umstände für Schwarzarbeit günstig sind, solange nützen Razzien wenig.
Wer soll es einem arbeitslosen Bauarbeiter verdenken, seiner Arbeitslosenunterstützung mit „schwarz“ Verdientem aufzustocken, wenn er keinen regulären Job oder nur einen für zwölf Mark pro Stunde bekommt? Wer kann es einem Kleinunternehmer verdenken, auch Schwarzarbeiter zu beschäftigen, wenn er sonst keine Chance hat, an Aufträge zu kommen? Das Preis- und Lohndumping ist der Nährboden für die Schwarzarbeit.
Die öffentliche Hand ist dabei nicht ganz schuldlos. Oberstes Credo bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist Geld sparen. Kaum eine öffentliche Baustelle in der Stadt, auf der kein Schwarzarbeiter erwischt wurde. Deshalb muss es mehr Möglichkeiten geben, öffentliche Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen zu koppeln. Stattdessen wird hinter jedem Bauarbeiter ein Krimineller vermutet, die Jagd auf Schwarzarbeiter verschärft. Im Wahlkampf mag das wirken – danach wohl kaum.
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